Sind wir nicht alle auf der Suche nach dem perfekten Job? Einen Arbeitsalltag der einen völlig erfüllt. Sinnvolle Dinge erledigen, Anerkennung, Spaß dabei haben, einen lockeren aber vorbildhaften Chef und ein cooles Office, gepaart mit einem ansprechendem Lohn? Der mobile Arbeitsplatz von überall?
Diese Idealvorstellung des perfekten Arbeitsplatzes wird unterstrichen durch eine bunte Startup-Kultur, Impressionen von Google Offices und vermehrt Berichte über neue und moderne Arbeitsstrukturen. Hört sich gut an, oder? Viele Unternehmen unterstreichen ihr Employer Branding mit innovativen Arbeitskonzepten, doch wie sieht die Realität aus?
Eines vorweg, als Arbeitgeber bin ich solchen Modellen gegenüber sehr aufgeschlossen und wir experimentieren selbst an neuen und flexibleren Arrangements. Aus fast 20 Jahren Arbeitnehmererfahrung hab ich noch ziemlich genau in Erinnerung was mich aus der Sichtweise alles gestört hat. Ich habe großes Interesse an neuen und zeitgemäßen Strukturen, moderne Organisationsentwicklung ist auch ein Steckenpferd von mir geworden. Wie immer muss aber jede Idee ausprobiert werden, da haben wir bei uns in der Agentur die Flexibilität dazu und eine hohe Gesprächs- und Feedbackkultur um danach zu reflektieren.
Viele dieser wohlklingenden und innovativen Konzepte haben nämlich ihre Schattenseiten oder Fallen und überstrapazieren ein Arbeitsverhältnis oder Team sogar in eine negative Richtung. Andere Ideen machen wiederum großen Sinn und können die Motivation und die Zusammenarbeit um etliche Level verbessern. Dabei gilt das bekannte Credo: Es ist nicht alles Gold was glänzt. Aber kleine Schritte, gemeinsam und mit erhöhter Reflektion bringen uns weiter. Ich geb euch einfach ein paar Beispiele.
Jeder bestimmt selbst sein Gehalt
Ihr habt vielleicht schon von dem progressiven Konzept gehört, wo Arbeitnehmer im Team ihr Gehalt untereinander selbst bestimmen. In großer Euphorie wird darüber berichtet und kommentiert. „Endlich hat jemand den Mut dazu“, „es wurde ja auch Zeit“ oder „Eine unglaubliche Systemwendung“. Bei unserem letzten Teambuilding habe ich mit den Liechteneckers dieses Experiment ausprobiert. Es wäre ein einfaches den gesamtem Gehaltstopf dem Team zu überlassen und es erfolgt eine selbständige Aufteilung. Da wir sowieso transparente Unternehmenszahlen intern kommunizieren, würde dem Modell ja weiters nichts im Weg stehen und ich wäre als Führungskraft diesbezüglich dann fein raus 😉
Wenig überraschend gab es schnell abwehrende Reaktionen oder auch die Idee es einfach in gleicher Höhe zu verteilen. Es nutzt nichts, die Lohn- und Prämienkalkulation ist nunmal ein sehr komplexes Thema und sollte in der Pflicht und Erarbeitung der Führungskraft liegen. Für die Bewertung der Faktoren wie Arbeitserfahrung, Skills, Weiterentwicklung, Marktwert, Mitarbeitergespräche und Reflektion ist das nur so professionell möglich. Die Teammitglieder wollen sich auch auf ihr Fach konzentrieren und nicht über Löhne nachdenken, es würde nur mehr Rauschen und Aufwand erzeugen. Für mich persönlich wäre das auch – wie schon erwähnt – ein Abtreten einer großen Führungsverantwortung, vor allem in Richtung Weiterentwicklung und unserem Prämiensystem.
Die Stunden- und Zeitfalle
Wir sind es gewohnt, dass in einem Arbeits- bzw. Angestelltenverhältnis Anwesenheitsstunden als ultimativer Messwert zugrunde liegen. Eine quantitative Zeiterfassung (Kommen und Gehen) ist gesetzlich in Österreich vorgeschrieben. Für mich als Arbeitgeber haben solche Stunden aber keine oder nur sehr wenig Bedeutung. Wenn man darüber nachdenkt, für den Arbeitnehmer ebenso wenig. Ganz im Gegenteil finde ich dieses System eine Falle für beide Seiten. In einer Agentur ist eine absolut gleichmäßige Auslastung leider noch weniger möglich als in anderen Branchen. Hinter unserem Motto „die Arbeit gehört gemacht“ steckt eine einfache Lösung. Wenn die wichtigen Dinge erledigt sind, dann ab in die Freizeit oder wir arbeiten an unserem internen Innovationslab weiter. Lieber die Stunden zum Kraft tanken verwenden, als sie auf das notwendige Soll „abzusitzen“. Umgekehrt ist es für die Führungskraft auch eine Falle wenn jemand vlt. weniger Stunden oder Minusstunden in Summe „eingestochen“ war, aber vlt. seine Arbeit effizient und kompakt erledigt hat. Diesen Blick auf die Stunden haben wir mit ziemlich guten Ergebnissen verlassen, dafür ist aber eine enge Abstimmung und besonders großes Vertrauen mit dem Projektmanagement und der Planung notwendig: Qualität statt Quantität. Ein Kriterium müssen wir jedoch beobachten: Wann ist lieber “ab in die Freizeit” und wann “Hey, eigentlich sollte ich was für Innovation tun”. Oder gibt es umgekehrt Mitarbeiter, die nie das Gefühl haben, dass es genug ist. Hier haben wir auch noch nicht die endgültige Antwort und müssen es erst erarbeiten.
Der flexible Arbeitsplatz von überall
Ein Hauptgrund für den ersten fix angestellten Mitarbeiter war damals der Wunsch nach einem Kollektiv und fachlich-sozialem Austausch. Ein Freelancer agiert immer von außen und nur für das in Auftrag gegebene Werk. Dafür besteht keine Verantwortung seitens Auftraggeber, Lohnnebenkosten, Urlaubs- & Weihnachtsgeld oder Krankenstandsbezahlung. Dennoch haben wir uns für eine reine Zusammenarbeit mit fix angestellten Teammitgliedern entschieden. Wir arbeiten nur so und ziehen keine Freelancer hinzu. Die Vorteile liegen für alle auf der Hand. Besonders jener, dass wir, noch wichtiger der Kunde, aus einem Kollektiv schöpfen können. Neben unserer Zusammenarbeit, haben wir täglichen persönlichen und fachlichen Austausch. Wir essen immer gemeinsam zu Mittag und treffen Entscheidungen zusammen. Wir sind hier auch manchmal ein “gemeinsames Gehirn” und entwickeln uns gegenseitig weiter. Die örtliche Zusammenarbeit und der Austausch ist auch für das Team sehr wichtig geworden. Wir haben jedoch immer die optionale Möglichkeit ein Kontingent an Homeoffice Tagen einzusetzen oder 2 kleine Lounges, wo man sich etwas zurückziehen kann, wenn man Lust dazu hat.
Zwischenfazit
Es gäbe noch wesentlich mehr Beispiele, die aber eine sinnvolle Blogbeitragslänge sprengen würden (2.Teil?). ich persönliche glaube nicht an einen großen Paradigmenwechsel in der Arbeitswelt, welcher derzeit überall beschrieben wird. Aber eine schrittweise Anpassung und zeitgemäße Haltung sollte in Führungsmentalitäten vordringen. Wie zuvor erwähnt, bin ich mehr als offen dafür. Man darf aber nie vergessen, dass wir auch nur Menschen sind und jeder mehr oder weniger eine Portion an Opportunismus mitbringt, so gut sich diese Modelle im ersten Moment auch anhören, benötigt es eine gewisse Regulierung und Beobachtung, mit einem Loslassen auf Etappen. Von einem Tag auf den anderen können solche Methoden nach hinten los gehen.
Auch habe ich die Einstellung, dass eine gewisse Portion Reibung und/oder Chaos im System sehr von Vorteil ist, den perfekten Job gibt es nicht, genauso wenig wie das perfekte Leben und das ist auch gut so. Die große Frage bei all diesen Modellen ist für mich im Besonderen, wie weit die Selbstbestimmung der Arbeitnehmer dabei gehen soll, wann ist mit der subjektiven Einschätzung genug und wann ist nicht genug. Jedes „Rudel“ oder jede Gruppe benötigt eine Autorität, welche auch mal unangenehme Entscheidungen trifft, die Richtung vorgibt und auch das Team fordert. Ein heterarchisches System ist, nach meiner Sicht, trotz so manch positiven Beispielen, zum Scheitern verurteilt, wenn wirtschaftliche Ziele und ein fachlich sehr hoher Anspruch im Spiel sind.
Um unseren Agenturalltag zu erleichtern und verbessern freue ich mich einiges an neuen Arbeitskonzepten und Denkweisen bereits eingeführt, aber auch kritisch betrachtet zu haben. Denn alle haben wir grundsätzlich ein gemeinsames Ziel: Coole und erfolgreiche Projekte umsetzen, eine gute Zeit dabei haben und uns weiterentwickeln. Dabei geht es uns in erster Linie um die Sache und die Leidenschaft für das was wir tun.
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