Letzte Woche habe ich das Customer Experience (CX) Forum als Besucher entdeckt und die Most Memorable Moments für euch zusammengefasst.
Im Gegensatz zu vielen anderen Events stand beim CX-Forum die Interaktivität im Vordergrund.
Das Customer Experience Forum 2018 ist ein jährlich stattfindendes Forum zu Customer Experience Design und Management – und damit fast schon zu einer Art Klassentreffen in der Community avanciert. Einige der Teilnehmer sind schon über viele Jahre dabei und es schwingt ein wenig diese typische „Man kennt sich“-Stimmung mit. Überraschenderweise habe ich dies als „Neuling“ aber keineswegs als negativ empfunden. Die Teilnehmer sind durchweg offen und interessiert und freuen sich einfach darauf, zwei inspirierende Tage miteinander zu verbringen. Im Gegensatz zu vielen anderen Events stand beim CX-Forum die Interaktivität im Vordergrund. Wer wollte, konnte pro Tag an zwei Workshops teilnehmen und sein aufgenommenes Wissen in zwei Loop-Sessions mit den anderen Teilnehmern reflektieren. Dies bot einem die Möglichkeit zum regen Austausch und half einem die Perspektiven der anderen Teilnehmer kennenzulernen.
So viel zum Setting, weiter gehts zu meinen Highlights:
#1 – Systemaufstellungen
In einem Workshop mit Christine Krimmel, Co-Gründerin der CX Agentur, sahen wir uns an wie Systemaufstellungen zur Gestaltung einer Customer Experience beitragen können. Wer mit dem Thema Aufstellungen an sich nicht so vertraut ist, der hat vielleicht trotzdem schon einmal von Familienaufstellungen gehört, die in der systemischen Psychotherapie angewendet werden. Systemaufstellungen können aber zur Darstellung jeder Art von Beziehungen und Zusammenhängen in einem System eingesetzt werden. Was bedeutet das? Im Zuge des Workshops war die Aufgabenstellung eines Teilnehmers, sein Unternehmen innovativer gestalten zu wollen. Er hatte schon einiges probiert aber irgendwie funktionierte es nie so richtig. Im ersten Schritt wurden die relevanten Bestandteile identifiziert: das Unternehmen, die Innovation, das Produkt, der Kunde, die Techniker, die Berater. Der Geschäftsführer des Unternehmens musste diese Bestandteile (repräsentiert durch Menschen im Raum) nun nacheinander in ihrer aktuellen Beziehung zueinander im Raum platzieren. Die Bestandteile selbst wurden nach jeder Platzierung dazu befragt wie sich die Position für sie anfühlt und warum. Die Insights die sich hier auftaten, waren wahnsinnig interessant. Das faszinierende an Systemaufstellungen ist, dass sich jeder Bestandteil intuitiv mit seiner Position und Aufgabe identifiziert und explizieren kann, was nicht stimmt. Wir haben selbst schon mit Aufstellungen Customer Journeys und Wertesysteme von Unternehmen umgestellt – umso spannender war es mitzuerleben, welch intensive Auswirkungen solch eine Aufstellung vor allem auf Führungsebene haben kann.
Unser Gehirn ist eine Bildverarbeitungsmaschine, keine Textverarbeitungsmaschine
Jedes System enthält latente Beziehungsstrukturen, die uns auf eine scheinbar irrationale Weise Entscheidungen treffen lassen oder Gefühle in uns auslösen, die unsere Meinung oder Wahrnehmung über Unternehmen, Dienstleistungen oder Produkte beeinflussen. Durch das Aufdecken dieser Strukturen sind wir in der Lage sie zu verändern, in dem wir Maßnahmen setzen, die auf den verdeckten Kern des Problems wirken.
#2 – Ein Agent im Einsatz
Leo Martin, ein ehemaliger Mitarbeiter des deutschen Nachrichtendienstes, nutzt seine Erfahrung als Kriminalwissenschaftler um uns (unseres Zeichens Teilnehmer im großen Krimi der Wirtschaftswelt) zu zeigen wie wir seine Erkenntnisse zum Beziehungsaufbau mit unseren Kunden nutzen können. Zu seinem Berufsalltag zählten neben Verhören auch das Anwerben von Informanten. Dazu nutzte er bewusst die unterbewusst ablaufenden Denk- und Handlungsmuster seiner Zielpersonen und baute so Vertrauen auf. Sein Geheimrezept für den Beziehungsaufbau ist die Kombination von Sicherheit und Wertschätzung. Diese beiden Bedürfnisse anzusprechen ist essentiell, um das Vertrauen einer Person zu gewinnen.
Außerdem führte er uns in seinem Vortrag im wahrsten Sinne des Wortes „vor Augen“, dass folgende Aussage der Wahrheit entspricht: „Unser Gehirn ist eine Bildverarbeitungsmaschine, keine Textverarbeitungsmaschine“. Mit einigen Übungen konnte man einfach am eigenen Leib erfahren, dass wir tatsächlich nur 0,04% dessen was wir am Tag erleben bewusst wahrnehmen und wir auf visuelle Reize unbewusst anspringen.
Könnt ihr euch nicht vorstellen? Müsst ihr auch nicht. Hier gibt den Vortag auch zum ansehen ;).
#3 – Design Sprint
Seit der Design Sprint als Tool von Google Ventures entwickelt wurde, ist die Methode in aller Munde. Dieses Jahr wurden diesem Thema auch beim CX Forum zwei Slots gewidmet. Design Sprints werden schon in vielen Unternehmen zur Erschaffung von Customer Experience eingesetzt. Runtastic ist eines jener Unternehmen, das diese Methode in ihren Berufsalltag integriert hat und damit immer wieder neue Geschäftsideen überprüft und weiterentwickelt. Weitere bekannte Vertreter unter den Design Sprint Fans sind die Unternehmen KLM, die Deutsche Telekom, Uber und Slack.
Wie viele Kosten entstehen, bevor wir zum ersten mal ein realistisches Gefühl dafür bekommen, ob das neue Angebot, unsere Idee etc. funktioniert?
Da wir selbst schon oft mit Design Sprints gearbeitet haben, ist es immer spannend zu hören, welche Erfahrungen andere beim Einsatz dieser Methode machen. Zwei Problematiken auf die wir bei der Durchführung von Design Sprints in Zusammenarbeit mit Unternehmen selbst schon gestoßen sind, wurden auch beim CX Forum thematisiert:
1. FÜNF Tage ohne Tagesgeschäft?!
Viele Unternehmen sind nicht gewillt am Projekt beteiligte Personen für fünf Tage vom Tagesgeschäft freizustellen. Dies ist mit ein Grund warum Unternehmensvertreter (auch am CX Forum selbst) der Meinung sind: „Design Sprints würden bei uns nicht funktionieren“. Fünf Tage am Stück hören sich natürlich nach einer immensen Investition an – Investition an Ressourcen, an Zeit, an Bedeutung. Was, wenn dann nichts rauskommt und man fünf Tage umsonst investiert hat? Diese Angst ist sicherlich oft ein latent vorhandener Grund, der zu Abwehrreaktionen führt. Die Wahrheit ist aber, dass sich bei einem korrekt durchgeführten Design Sprint am Ende jedenfalls herausstellt, ob eine Idee Potential hat oder nicht. Diese fünf Tage an Investition sind also hochgerechnet mit viel weniger Zeit und Geld verbunden als über Wochen in eine falsche Richtung zu arbeiten. Falls also die Bereitschaft diese fünf Tage zu „opfern“ nicht gegeben ist, dann ist entweder das Verständnis für den Mehrwert eines Design Sprints nicht vorhanden oder dem Projekt selbst wird zu wenig Bedeutung zugeordnet.
Natürlich hört sich das nun radikal an und man kann das ja jetzt nicht so generell sagen. Ich bin aber der Meinung, dass es durchaus meist an diesen beiden Punkten scheitert und man sich als Unternehmen, bevor man einen Design Sprint kategorisch ablehnt, einmal überlegen sollte: Wie viele Kosten entstehen, bevor wir zum ersten mal ein realistisches Gefühl dafür bekommen, ob das neue Angebot, unsere Idee etc. funktioniert?
Das sind die Kosten, die man den Kosten eines Design Sprints gegenüberstellen sollte. In den meisten Fällen übersteigen diese die Sprint-Kosten um ein Vielfaches.
2. Entscheider ist nicht gleich Entscheider
Das Ziel eines Design Sprint ist es nach fünf Tagen zu sehen, ob die getestete Idee funktioniert. Darum muss in jedem Design Sprint Team ein Entscheider vorhanden sein, der am dritten Tag jene Ideen auswählt, die getestet werden sollen. Besonders in großen aber auch schon in mittelständischen Unternehmen ist es aber oft der Fall, dass sich die Personen, die über die schlussendliche Entscheidungsgewalt verfügen, keine Zeit für den Design Sprint nehmen. Die Ergebnisse werden dann meist nach dem Sprint in einem weiteren Termin zwischen dem vermeintlichen „Entscheider“ (die Person die als Entscheider zum Design Sprint geschickt wird) und dem echten Entscheider abgestimmt. Was dann oft passiert, lässt eine eigentlich sehr hilfreiche Methode zu einem echten Reinfall mit dem Titel „Zwar gut gemeint, aber mehr auch nicht“ werden. Der echte Entscheider war nicht dabei, hat nicht selbst entschieden und kann die Entscheidung daher auch nicht nachvollziehen. Fazit: die Richtung wird geändert, das Projekt abgedreht und man hat fünf Tage an Zeit verschwendet.
Hier sieht man also sehr schön, wie schnell man aus der Aussage „Design Sprints würden bei uns nicht funktionieren“ eine sich selbst erfüllende Prophezeiung macht, wenn man die Regeln des Design Sprints (die ja nicht umsonst von Google Ventures über Jahre getestet wurden) einfach mal nicht so genau nimmt. Jetzt wissen wir natürlich, dass CEOs viel beschäftigte Menschen sind und meist besetzter sind als Taxi-Hotlines zu Neujahr, trotzdem sollten sie bei einem Sprint die Entscheidung übernehmen. Wenn sie dafür nur am dritten Tag vor Ort sein können, ist das auch ok. Sollte auch das nicht möglich sein, hat im allerbesten Fall der gesendete Entscheider das Vertrauen des CEOs oder eine Position im Unternehmen, in der er seine Entscheidungen nicht von einer darüberliegenden Instanz absegnen lassen muss. Wichtig ist es aber, vor dem Design Sprint genau diese Fragen zu klären.
Falls ihr noch ein paar andere Erfahrungen mit Design Sprints lesen wollt, dann schaut mal auf Sprintstories vorbei.
Wrap up
Alles in allem kann ich das Event all jenen, die sich mit Customer Experience beschäftigen (also wahrscheinlich allen, die diesen Artikel lesen) das CX Forum nur wärmstens ans Herz legen. Ich könnte euch noch viel mehr erzählen aber dafür fehlt mir leider die Zeit und die Muse ;). Außerdem wäre es ja viel besser, wenn wir uns nächstes Jahr persönlich am CX Forum treffen. Bei offenen Fragen bleiben euch ja noch immer die vielen Links im Text und unsere hübsche Kommentarbox unter dem Geschriebenen. Ich freue mich über Fragen oder Kommentare.
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