Wie oft bist du schon in einem beruflichen Termin gesessen und hast dich gefragt, wann hier eigentlich einmal jemand an die Menschen denkt? Ja, an die Menschen. Nicht an die Kunden, die Zielgruppe, den/die Chef/in, die Kollegen, sondern an die Mitmenschen. Mir ist das doch des Öfteren passiert. Nicht, weil die Personen im Raum alle furchtbar bösartig waren. Nein, ganz sicher nicht. Sondern, weil wir in unserem täglichen Tun sehr oft aus der Unternehmensperspektive heraus denken. Was braucht das Unternehmen, um an Kunden zu verkaufen? Was braucht mein/e Chef/in, was brauchen unsere Investoren, usw. in ihren Rollen als ebendiese? Das hat auch lange gut funktioniert. Wir bei Liechtenecker sind jedoch überzeugt, dass es Zeit ist, die menschliche Perspektive radikal in den Mittelpunkt zu stellen. Das Ziel muss es sein, nicht nur für ein Unternehmen, sondern vor allem für die Menschen, die damit zu tun haben – egal ob Kunden, Mitarbeiter, Kollegen, ChefInnen, Partner, Investoren (die ja alle in erster Linie Menschen sind) – Sinn zu stiften und damit das Leben insgesamt besser zu machen. Wir nennen das Human Centered Business und dafür braucht man eine Menge Empathie.
In diesem Beitrag möchte ich einen kurzen Einblick geben, was wir unter emphatischem Design verstehen, wie wir es einsetzen und warum es sinnvoll ist. Am Ende stelle ich euch noch eine kleine beispielhafte Methode zur Verfügung, mit der sich jeder in Workshops mit Empathie beschäftigen kann. Ich hoffe, ihr könnt sie gut verwenden und Empathie wird zu einem wichtigen Werkzeug in eurem Tun.
Empathie – Was ist das genau?
Die Definition, die man auf Wikipedia findet, lautet: Empathie bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, Gedanken, Emotionen, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen und zu verstehen. Zur Empathie gehört auch die Reaktion auf die Gefühle anderer Menschen, wie zum Beispiel Mitleid, Trauer, Schmerz oder Hilfsimpulse.
Für uns sind hier zwei Begriffe besonders relevant – Bereitschaft und Hilfsimpuls.
Das Ziel lautet, in Organisationen eine Kultur der Bereitschaft zu schaffen, um sich in andere Menschen einzufühlen und zu helfen.
Wie kann das ablaufen?
Wege zur Empathie gibt es viele. Manche Menschen sind besonders begabt darin, emphatisch zu sein. Auch bestimmte Situationen können bei uns einen erhöhten Oxytocin Spiegel auslösen, was uns automatisch empathischer macht. So steigt beispielsweise bei der Geburt, oder beim Stillen der Oxytocin Spiegel bei Frauen. Psychoaktive Mittel wie MDMA helfen auch. Diese empathogene Substanz erleichtert es einem, sich in andere Menschen einzufühlen. Ich stelle mir Workshops auf MDMA sehr interessant vor ;-). Paracetamol löst übrigens das Gegenteil aus. Menschen, die also gerade aufgrund von Kopfschmerzen, oder Ähnlichem, das Medikament einnehmen, sind nicht die besten Teilnehmer für einen Empathie-Workshop.
Nun muss man nicht unbedingt gerade ein Kind bekommen, oder sich an Drogen wagen, um sich in Andere einzufühlen. Wir nutzen in unseren Design Thinking Workshops sehr viel Empathie, um zu passenden Lösungen zu kommen. Dabei haben wir sechs Schritte definiert, die es uns ermöglichen mit Empathie zu designen:
1.) Beobachtung und Gespräche führen:
Der erste Schritt ist die Beobachtung und das Gespräch. Natürlich hat man grundsätzlich davor schon eine Fragestellung im Kopf. Zu sehr in eine Richtung zu denken, sollte man allerdings vermeiden, da man sonst schnell Dinge übersieht. Es geht darum auf Menschen zuzugehen, die für ein Projekt, ein Unternehmen, oder was auch immer interessant sind und sich mit ihnen, ohne fertigen Fragenkatalog, zu unterhalten. Wichtig ist es jedenfalls immer offen in ein Gespräch zu gehen und auf Antworten zu reagieren, egal ob man schon vorbereitete Fragen im Gepäck hat oder nicht. So kann man nachhaken, in die Tiefe gehen, ergründen. Von Bedeutung ist dabei auch, die Körpersprache auf sich wirken und in seine Notizen einfließen zu lassen. Auch wie man sich selbst bei dem Gespräch gefühlt hat, sollte man notieren, um eigene Verzerrungen und Interpretationen zu erkennen.
Im Grunde geht es darum, mit dem Herzen zuzuhören, anstatt mit dem Verstand.
Das klingt nicht sehr analytisch, aber nur so kann man mehr erfassen, als einfach nur Daten oder Schwarz/Weiß, denn die Welt besteht aus mehr als nur der Summe der Teile. Es empfiehlt sich visuelle Eindrücke zu sammeln. Nicht nur vom Gespräch, sondern auch vom Setting, in dem mit einem Produkt, Service oder Touchpoint interagiert wird, sollten Fotos und Videos gemacht werden.
2.) Analysieren und Problemstellung definieren:
Aus all den gewonnen Eindrücken und Informationen gilt es nun Schlüsse zu ziehen und eine Problemstellung zu definieren. Dabei gibt es unterschiedliche Methoden, um sie zu sortieren. Im Idealfall macht man das nicht für sich alleine, denn in der Zusammenarbeit im Team werden schnell unterschiedliche interessante Details entdeckt oder für wichtig erachtet. Einigt man sich auf einen gemeinsamen Nenner, so hat man meist auch ein breiteres Spektrum abgedeckt.
Als besonders hilfreich im Bezug auf Empathie hat sich für uns die sogenannte Empathy Map erwiesen, da dieses Tool perfekt zu unserem Human Centered Design Ansatz passt. Ausgehend von den Menschen, die die Lösung betrifft, stellt man sich hier sechs zentrale Fragen.
- Was denken die befragten Personen? Und was sagt uns das?
- Wie fühlen sie sich, oder was denken wir, wie sie sich fühlen?
- Was sagen sie?
- Wie verhalten sie sich?
- Wo sind die „Pains“ für die Personen? Also was sind die Probleme und wie äußern sich diese?
- Wo sind die „Gains“ für sie? Worin liegt ein Nutzen?
Eine wichtige Frage, die wir uns gerne in diesem Prozessschritt stellen: Wo liegt hier ein Problem, das (noch) gar nicht als solches wahrgenommen wird? Denn vieles wird als selbstverständlich erachtet, weil sich niemand überhaupt vorstellen kann, dass man auch etwas ganz anders machen könnte. Das beste Beispiel dafür ist natürlich immer wieder der viel zitierte Henry Ford, der sagte: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt schnellere Pferde.“ Ein Problem zu lösen, ist eine gute und notwendige Sache und wichtig für die Gegenwart. Ein Problem zu erkennen und zu lösen, das noch nicht als solches wahrgenommen wird, ist eine Innovation und damit die Zukunft von Unternehmen. Darum ist es eben im ersten Schritt, wie oben beschrieben, so wichtig zu beobachten und Gespräche zu führen, ohne vorgefertigten Filter oder Agenda im Kopf.
3.) Lösungen finden:
Ab dem dritten Schritt ist Kreativität gefragt. Es geht darum, mit unterschiedlichen Kreativitätsmethoden, für die zuvor definierte Problemstellung, Lösungen zu finden. Ob klassisches Brainstorming, Brainwriting, 6-3-5-Methode oder mehr. Techniken zur Ideenfindung gibt es viele. Und wir wenden sie auch alle an.
Aber auch hier greifen wir gerne zur Empathie Karte, nur in abgewandelter Form. Wir gehen hier nicht von der Ist-Situation aus, sondern denken an die Soll-Situation mit folgenden Fragen:
- Was soll die Person denken & fühlen?
- Was soll sie sehen?
- Was soll sie sagen und tun?
- Was soll sie hören?
- Wo liegt der Nutzen?
- Welches Problem wird gelöst?
Die Empathie Karte gibt es am Ende des Artikels zum Download.
4.) Prototypen entwickeln:
Hat man eine Lösung gefunden, sollte man sie so schnell wie möglich testen. Aus unzähligen Design Thinking Prozessen wissen wir, dass es dafür nicht immer gleich ein fertiges Produkt braucht. Rudimentäre Prototypen – und seien es nur Skizzen, Szenarios oder was auch immer – eignen sich perfekt, um gleich mal in die nächsten Schritte einzutauchen und damit rauszufinden, ob man auf dem richtigen Weg ist. Wenn ja, wird man immer wieder zum Prototypen zurückkehren, ihn verfeinern und weiter ausbauen, bis im Idealfall eine fertige Lösung iterativ daraus gewachsen ist.
5.) Testen und Feedback einholen:
Prototypen verlangen danach getestet zu werden. Sollte eine Idee nicht so gut ankommen, versuchen wir das Feedback nicht nur als Information wahrzunehmen, sondern auch zu hinterfragen, warum es so ausgefallen sein könnte. Denn oft ist die Lösung an sich gar nicht die Falsche, aber die Emotion, die beispielsweise durch das Aussehen oder die Präsentation des Prototyps ausgelöst wird, könnte zu einem negativen Feedback veranlassen.
6.) Lernen und Überarbeiten:
Trial and Error lautet das Motto. Aus den gewonnenen Rückmeldungen in der Testung sollte man so rasch wie möglich lernen und seinen Prototypen anpassen. Schritt 4 bis 6 laufen daher in einem ständigen Loop. Und manchmal muss man sogar zurück zum dritten Schritt und sich eine neue Lösung einfallen lassen. Aber dies geschieht dann in der Phase des Prototypings, als mit einem bereits fertigen Produkt, Service oder Angebot.
Voraussetzungen für emphatisches Design
- Wie schon weiter oben erwähnt, sollte man bei seiner Fragestellung immer ergebnisoffen sein. Man weiß nicht, was am Ende rauskommt. Aber das ist ja auch der Sinn von Innovation.
- Daraus ergeben sich auch ein paar Grundeigenschaften für jene, die an so einem Prozess beteiligt sind:
Offenheit, Neugier und eine gute Beobachtungsgabe. - Eine weitere Voraussetzung ist ein Team mit unterschiedlichen Kompetenzen und Charakteren (analytisch, kreativ, aus unterschiedlichen Bereichen), denn damit lassen sich Problemfelder besser definieren und Lösungen finden.
- Mitschriften zu Gesprächen sollten nicht nur aus einem Abhaken von Fragen bestehen, sondern die Notizen sollten ergänzt werden um eigene Beobachtungen und Schlussfolgerungen. Daraus entstehen oftmals bereits Ideen, aber auch neue Fragen.
- Es braucht im Unternehmen einen Kulturwandel hin zum Fokus auf den Menschen. Vor allem im Bezug auf den Kunden oder Nutzer. Denn in erster Linie ist der Kunde ja ein Mensch. Das Wort Kunde oder Nutzer entzieht sich aber leider oft der Menschlichkeit. Dies gilt natürlich nicht nur für die externe Seite des Unternehmens. Es geht auch um die Menschen, die im Unternehmen arbeiten, die an dem konkreten Projekt arbeiten, um die Eigentümer und eigentlich um jeden einzelnen Menschen an sich. Ja. Diesen Anspruch haben wir und darum nennen wir unseren Ansatz Human Centered Business.
Warum Empathie?
Klassische Marktforschung bzw. eine klassische Userbefragung zielt auf das Wissen von Kunden/Nutzern ab. Hört man mit Empathie zu, kann man auch hören, was nicht gesagt wird. Dadurch findet man auch Lösungen, an die nicht gedacht wird, weil sich keiner vorstellt, dass es hier Lösungen geben kann.
Wir haben das gerade aktuell für ein Projekt im Finanzbereich erlebt. Hier hat jede befragte Person geantwortet, dass ihr Finanzdienstleister ihnen bei einem bestimmten Problem nicht helfen kann. Nachdem wir nachgesetzt und eine mögliche Lösung angeteasert hatten, waren die Befragten überrascht und sofort überzeugt, dass ihnen dies helfen würde.
Erst durch Befragen, Zuhören und Einfühlen konnten wir durch das Angebot einer Lösung für ein unbewusstes Problem, den wahren Mehrwert zu dem von uns zu entwickelnden Service schaffen.
Ein weiterer Grund: Menschen und vor allem Führungskräfte mit besonders ausgeprägten empathischen Fähigkeiten haben bessere persönliche Beziehungen, können sich selbst und andere stärker motivieren; sie lernen schneller, genießen ein größeres Vertrauen,(Leonardo Badea: The role of empathy in developing the leader’s emotional intelligence. In: Theoretical and Applied Economics, Vol. 17 (2010), No. 10, S. 69–78) und sind insgesamt erfolgreicher.
Man stelle sich also emphatische Organisationen vor. Der Erfolg scheint vielversprechend.
Empathie schafft sinnvolle Innovationen und Innovationen sind das Marketing und das Business Model von morgen.
Darum glauben wir, dass Emphatisches Design der Erfolgsfaktor der Zukunft für Unternehmen ist.
Tool: Empathie Karte zum Download
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