Ich finde es wahnsinnig inspirierend, Events wie das 4gamechanger Festival in der Marx Halle zu besuchen und nehme mir immer wieder vor, so viel wie möglich an Informationen mitzunehmen. Leider sind sowohl unsere Aufmerksamkeitsspanne, als auch unsere Aufnahmefähigkeit begrenzt und hart umkämpft. Wenn ich mich so an die vielen nach unten aufs Smartphone geneigten Köpfe im Vortragssaal der Marx Halle erinnere, dann weiß ich auch wer der Hauptkonkurrent der Speaker im Kampf um die wertvolle Aufmerksamkeit war ;).
Doch selbst bei all den Ablenkungen gibt es immer wieder Themen, die ich als Learnings von faszinierenden Vorträgen mitnehme und mit anderen teilen will. Beim 4gamechanger Festival waren es diese 3 Inputs, die mich noch immer am meisten beschäftigen:
Wann ist eine Idee gut?
Im Talk „Be Einstein: Wie und wo wachsen Ideen?“ wurde heiß darüber diskutiert, wer darüber entscheidet, ob eine Idee gut ist und was eine Idee mitbringen muss, damit man sie als gut bewerten kann. Für den Entrepreneur Zac Bookman aus dem Silicon Valley ist die Antwort ganz klar: Eine Idee ist gut, wenn Leute bereit sind, dafür zu bezahlen. Zu dieser polarisierenden Aussage fand sich mit Milena Glimbovski, der Gründerin des Berliner Ladens „Original Unverpackt“, sofort eine Gegenmeinung. Laut Milena geben Menschen für so viel Müll, den sie nicht brauchen, Geld aus, dass man wohl kaum alles davon als gut bezeichnen kann. Ihre Meinung ist eine andere: „Ideen sind gut, wenn sie die Welt verbessern.“
Ich konnte keiner der beiden Meinungen, so ganz zustimmen. Außerdem ist das Prädikat „gut“, ja immer noch eine sehr subjektive Beurteilung, die vor allem von den zwei Weltanschauungen Idealismus und Kapitalismus geprägt wird.
Bei der Aussage von Zac Bookman stellt sich für mich außerdem die Frage, wieviel man für eine gute Idee bezahlen würde. Ist die Idee auch gut, wenn man nur einen Cent bezahlen würde, oder gibt es hier einen Grenzbetrag, mit dem man die Qualität einer Idee bemessen kann?
Die Aussage von Milena Glimbovski erntete zwar jede Menge Applaus (die Idealisten erfreuen sich immer größerer Beliebtheit), doch trifft sie den Nagel auch nicht so recht auf den Kopf. Wann verbessert denn eine Idee unsere Welt? Es gibt viele Ideen, die das Potential hätten, unsere Welt zu verbessern und trotzdem keinen Impact haben, weil sie einfach zu wenig Leute nutzen. Meiner Meinung nach sind es daher eher die „Nutzung“ und das „Haben Wollen“ einer Idee, die man als Bewertungskriterium heranziehen sollte. Eine Idee wird von Menschen erschaffen und lebt davon, von ihnen genutzt zu werden. Daher ist in meinen Augen die logische Schlussfolgerung: je besser eine Idee ist, umso mehr Leute wollen sie haben bzw. nutzen.
Nur wenn man mit einer Idee hinaus in die Welt geht, Prototypen baut und sie in der Wirklichkeit testet, kann sie Gestalt annehmen.
Am Ende des Talks gab es noch einen Tipp von jedem Speaker dazu, wie man Ideen wachsen lassen kann. Hiervon sollte man sich doch ein paar zu Herzen nehmen:
1. Ego zurücknehmen
Das Ego kann Ideen blockieren. Wir tendieren dazu, Ideen nur dann ernst zu nehmen und ihnen Raum zu geben, wenn sie von uns selbst kommen. Mit dieser Einstellung schafft man ein Umfeld indem keine Idee gedeihen kann. Bei einer Idee geht es meist darum, gemeinsam etwas zu erschaffen und da bleibt wenig Platz für Ego-Nummern.
2. Hilfe annehmen und geben
Manchmal braucht man Hilfe um weiterzukommen. Darum ist ein gutes Netzwerk eine wichtige Voraussetzung, um Ideen voranzutreiben. Umgekehrt sollte man diese Hilfe auch weitergeben, wenn man gute Ideen sieht und in der Lage dazu ist.
3. Ideen offenlegen
Nur wenn man mit einer Idee hinaus in die Welt geht, Prototypen baut und sie in der Wirklichkeit testet, kann sie Gestalt annehmen. Eine Idee entwickelt sich durch Interaktion mit der Umwelt und nicht in einem stillen Kämmerchen.
4. Aber nicht alles zeigen
Trotzdem sollte man sich die Personen, mit denen man den kompletten Umfang der Idee teilt, sehr gut aussuchen. Wir agieren schließlich alle in einem Markt in dem gute Ideen Gold wert sind.
5. Don’t quit
Dieser Punkt wurde von Zac Bookman angesprochen und die Aussage hörte man im Laufe dieser zwei Tage immer und immer wieder. Wer an seine Idee glaubt, muss durchhalten und weiter machen. Niemand hat gesagt, dass es leicht ist eine Idee in die Tat umzusetzen.
Beeinflussen wir den Algorithmus oder er uns?
Bei all den Gesprächen über künstliche Intelligenz und Algorithmen, steht diese Frage unausgesprochen im Raum. Auch bei dem Talk „Social Media Hacks Democracy: zählen Likes mehr als Wählerstimmen?“ ging es schon nach kurzer Zeit sehr stark um die Beantwortung dieser Frage. David Wilkinson von der Agentur Cambridge Analytica sprach darüber, wie sie durch die gezielte Ansprache auf Basis von Facebook-Profilen und Datenanalysen, die Trump-Kampagne unterstützten. Es ging um das Spannungsfeld der unterbewussten Beeinflussung, die Medien auf uns ausüben, und bewusster Mediennutzung. Beeinflusst es unsere Meinung und unsere Entscheidungen, wenn wir auf sozialen Medien getargeted und dadurch immer mit den gleichen Meinungen und Inhalten konfrontiert werden?
In der Diskussion wurde sehr schnell der Facebook-Algorithmus als der Verursacher allen Übels identifiziert. Laut der österreichischen Journalistin und Publizistin Ingrid Brodnig steckt hinter der Tatsache, dass wir Katzen auf Skateboards in unserer Facebook-Timeline sehen und dem vermehrten Auffinden von Inhalten über Donald Trump oder HC Strache dieselbe Logik. Bevorzugt der Facebook-Algorithmus Trash und trägt dadurch dazu bei, dass wir mehr Trash sehen? Dieser Vorwurf stand für kurze Zeit im Raum und wurde dann jedoch von Veit Dengler mit einer treffenden Feststellung beantwortet: „Wir sind der Täter – das Problem ist nicht Facebook oder der Algorithmus, sondern wie wir Social Media nutzen.“. Auch die Schwester des Facebook Gründers Marc Zuckerberg und ehemalige Marketingchefin von Facebook Randi Zuckerberg, wies diesen Vorwurf entschieden zurück. Der Algorithmus reiht jene Inhalte nach oben, die von uns genutzt werden und damit hat jeder von uns Einfluss darauf, was er zu sehen bekommt. Geht es also um unsere Medienkompetenz? Ja, mit Sicherheit. Schließlich liegt es auch immer noch in unserer Eigenverantwortung, welche Medien wir konsumieren und ob wir über die Meinungen hinausblicken, die uns auf dem Silbertablett präsentiert werden.
Ein Algorithmus ist nur so gut, wie der Entwickler, der ihn programmiert hat. Jeder Mensch hat Vorurteile und diese werden den Algorithmus beeinflussen.
Ein weiterer Punkt den ich ganz besonders spannend fand, war diese Aussage von Randy Zuckerberg: „Ein Algorithmus ist nur so gut, wie der Entwickler, der ihn programmiert hat. Jeder Mensch hat Vorurteile und diese werden den Algorithmus beeinflussen.“ Das wird laut Randy gerade dann besonders tragend, wenn es darum geht, Algorithmen für selbstfahrende Autos zu entwickeln und Entscheidungs-Logiken zu programmieren.
Die Beeinflussung findet also beiderseitig statt, doch am Anfang der Beeinflussungs-Kette steht (zumindest im Moment) immer noch der Mensch.
Wann verlieren wir unsere Menschlichkeit?
Der für mich spannendste Talk des 4gamechanger Festivals war „Part man – part machine: Wann sind wir unsterblich?“. Dieser startete mit einer Keynote von Neil Harbiss, dem ersten weltweit anerkannten Cyborg. Er suchte nach einer Lösung für seine Farbenblindheit und lies sich eine Antenne in den Schädel implantieren, mit der er Farben „hören“ kann. Die Antenne besteht aus einem Farbsensor, der neben dem Auge angebracht ist und Farben an einen, in seinem Kopf installierten, Chip sendet. Dieser Chip wandelt die Farbfrequenzen in hörbare Frequenzen um und ermöglicht es Neil neben normalen Farben auch infrarot und ultraviolett wahrzunehmen. Damit hat er es quasi geschafft, seine Sinne zu erweitern und sich als Mensch zu optimieren. Die Frage die sich hier jedoch im darauffolgenden Panel stellte war, wo unser Drang nach Perfektion oder Optimierung unsere Ethik beeinflusst und wir unsere Menschlichkeit verlieren. Der Futurist Gerd Leonhard, ist der Meinung, dass wir Technologie lieber umarmen sollten, als zu ihr zu werden. Laut ihm ist Technologie moralisch neutral, bis wir sie anwenden. Wie weit sollten wir also mit unserer Selbstoptimierung gehen und wann ist es ethisch und moralisch nicht mehr vertretbar?
Auch wir haben uns aus der Evolution heraus entwickelt und sind erst seit einer bestimmten Zeitspanne Menschen.
Neil Harbisson sieht seine Entwicklung hingegen eher als Experiment, das vielleicht Teil einer neuen Evolutionsstufe ist. Seiner Meinung nach ist es etwas zutiefst Normales, nicht menschlich zu sein. Auch wir haben uns aus der Evolution heraus entwickelt und sind erst seit einer bestimmten Zeitspanne Menschen.
Der Mensch wird zum Produkt seiner eigenen Fantasie.
Ich fand diesen Input extrem spannend. Noch spannender wurde es, als sich die Biochemikerin Renée Schröder zu Wort meldete. Vor 70.000 Jahren war der Mensch in seiner Evolution zum ersten Mal so weit, dass er etwas denken konnte, das es nicht gibt. Dieser Moment war die Geburtsstunde der Kultur und mit diesem Zeitpunkt hat der Mensch begonnen sich selbst zu erfinden. Er hat immer mehr Dinge erfunden und erdacht, um sein Überleben zu sichern und sein Leben zu verbessern. Der Mensch wird zum Produkt seiner eigenen Fantasie. Dies erklärt sie, indem sie die Welt in 3 Töpfe einteilt:
- Topf 1 = Alles was ohne Einfluss des Menschen existiert
- Topf 2 = Alles was existiert, weil der Mensch es erfunden hat
- Topf 3 = Alles was nur in unserem Gehirn existiert, wie das Paradies etc.
Was nun passiert ist, dass Topf 3 immer größer wird und Einfluss auf Topf 2 nimmt. Irgendwann verschwimmt die Grenze zwischen Topf 2 und 3, die Fragen und Gedanken die entstehen, können direkt zur Realität werden. Momentan ist es noch dem Menschen überlassen diese kreativen Denkprozesse durchzuführen, doch die Frage ist wie lange noch.
Führt Technologie also zur Evolution oder zur Perfektion, die ja das Ende der Evolution darstellt? Selbst wenn wir in den nächsten Jahren all unser Wissen an Google abgeben, sollten wir uns doch eine Aussage von Gerd Leonhard vor Augen halten:
Wir denken nicht nur mit dem Kopf, sondern mit dem Körper. Unsere Gefühle sind sehr oft der entscheidende Faktor und diese sind immer noch etwas zutiefst menschliches.
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