Die unangenehmsten Arbeits-Tage für mich sind jene, an denen ich Homeoffice mache. Neben all der Ablenkung, die mich dort umlauert (dreckige Wäsche will gewaschen werden, der Hund meiner Mitbewohnerin verlangt nach Aufmerksamkeit, etc.) ist für mich der größte Nachteil das Nichtvorhandensein des Teams. Alleine zu arbeiten, ohne Austausch mit meinen Kollegen – ob nun fachlich oder freundschaftlich – ist einfach nichts für mich.
Einige meiner geschätzten Kollegen kenne ich nun schon seit Jahren und die Arbeit mit ihnen ist zumeist besonders angenehm und produktiv.
Wie in anderen Unternehmen auch, gibt es bei uns ein Kommen und Gehen von Mitarbeitern – was der natürliche Verlauf der Dinge ist und womit man sich nunmal abfinden muss. Es gibt aber auch Menschen die jahrelang in derselben Firma bleiben. Diese Leute sind besonders wertvoll – für das Unternehmen selbst und auch für andere Mitarbeiter. Warum ich meine langjährigen Kollegen – und hier zähle ich unseren Chef auch dazu – so schätze und wo jedoch Achtsamkeit herrschen sollte, möchte ich euch hier erzählen.
Grundpfeiler sozialer Beziehungen
Ein großer, wichtiger Punkt in jeder Beziehung ist das gegenseitige Vertrauen. Um jemanden vertrauen zu können, braucht es Zeit und entsprechende Erfahrungen und Ereignisse, bei denen man seine Vertrauenswürdigkeit unter Beweis stellen kann. Je mehr erfolgreiche Projekte gemeinsam über die Bühne gebracht werden, desto größer sollte das Vertrauen zu den Kollegen werden und vice versa. Wenn dann neben dem fachlichen auch das persönliche Vertrauen da ist, verbessert dies das Zusammenleben im Büro ungemein. Um dorthin zu kommen, reichen aber Projekte allein oft nicht aus – es gilt sein Gegenüber besser kennenzulernen und das funktioniert am besten, indem man sich für die Person interessiert, ihr Fragen stellt, sich einfach mit ihr unterhält und als Mensch zu schätzen lernt. Dazu bietet sich ein Treffen zu einem entspannten Feierabend-Bier an: Gespräche in Umgebungen, die nicht das Office sind, haben einfach einen anderen Gehalt und geben einem die Chance, die Person hinter dem Programmierer oder der Designerin zu sehen und kennenzulernen. Dieses Treffen hat bei uns übrigens den Namen „Brausesause“, wodurch das Ganze mehr nach einem lustigen Event, als nach schnödem „was trinken gehen“ klingt.
Welche weiteren Vorteile nun Vertrauen mit sich bringen, muss ich wohl niemandem erzählen – es ist einfach ein gutes Gefühlt, wenn man weiß, da sind Leute auf die ich mich verlassen, die ich um Rat bitten kann und die mir helfen, ein Projekt und den Büroalltag zu meistern. Dieses Konzept ist nicht nur bei den Kollegen wichtig, auch mit seinem Chef muss eine solide Vertrauensbasis aufgebaut werden, wovon alle im Team profitieren.
Love is in the air – und Professionalität
Wie ihr sicher aus anderen Blogbeiträgen von uns wisst (wie zum Beispiel Jürgens Artikel „Ich habe meine Chefposition gekündigt“), ist uns das Arbeitsklima im Büro sehr wichtig. Wenn viele Menschen in einem Raum sind, die sich Vertrauen und freundschaftliche Gefühle entgegenbringen, ist das für die Atmosphäre ein absolutes Plus. Da profitieren nicht nur die Alteingesessenen davon, sondern auch Neulinge, denen es in einer solchen Umgebung einfacher fällt, sich einzubringen und einzuleben.
Ich bin jedesmal begeistert, wenn einer meiner langjährigen Kollegen nur durch einen meiner Blicke weiß, was ich gerade denke – er hat ganz klar auch ein Talent dafür, aber so richtig hat sich diese Lese-Fähigkeit erst über unsere gemeinsam verbrachten Jahre im Büro entwickelt. Es ist auch super, wenn man mal die andere Person so gut kennt, dass man an den kleinsten Zeichen erkennen kann, ob die Laune heute im Keller ist, es ihr gut oder schlecht geht. Was mag die andere Person, welche Situationen bereiten ihr Stress, wo liegen Talente oder Schwierigkeiten – wenn man dies weiß, kann man auch gezielt helfen und unterstützen, was das Vertrauen noch weiter ausbaut.
In allen Beziehungen in unserem Leben gilt: Ponyhof ist was für Anfänger.
Wie in anderen Beziehungen in unserem Leben gilt auch hier: Ponyhof ist was für Anfänger. Wer sich länger kennt, ist auch mal genervt von der anderen Person. Wer kennt das nicht? Ist aber ganz normal und gesund – ein bisschen Abwechslung muss sein. Es fällt einem dafür aber viel leichter Dinge anzusprechen (zumindest sollte es das…), die man sich bei Fremden oder Neulingen noch verkneifen würde. Und das ist definitiv kein negativer Punkt: dadurch lernen und entwickeln wir uns weiter, können an unserer Beziehung arbeiten und die Bänder zwischen uns fester knüpfen.
Träger der Firmenkultur
Wenn man schon einige Jahre in einem Unternehmen arbeitet, kennt man dessen Kultur, Motivation, Strategien und Werte. Als langjähriger Mitarbeiter ist man sozusagen auch der Bannerträger nach außen und Drachenboot-Trommler nach innen. Dabei muss man sich nicht einmal besonders anstrengen, denn die Firmenkultur liegt einem dann sozusagen im Blut. So liegt die Aufgabe, neue Mitarbeiter in die neue Kultur einzuführen, nicht allein beim Firmeneigentümer, sondern auch bei erfahrenen Mitarbeitern. Je länger man Zeit in einer Firma verbringt, desto mehr liegt sie einem am Herzen, was den Vorteil hat, dass alle zusammen am Weg zum Erfolg aller arbeiten und nicht für den Erfolg des Chefs oder der Chefin. Dazu muss den Mitarbeitern natürlich die Möglichkeit gegeben werden, sich aktiv am Firmen-Geschehen zu beteiligen. Geheimnisse, undurchsichtige Strukturen und intrigantes, opportunistisches Verhalten sind hierbei völlig fehl am Platz. Durch die Erfahrung der Alteingesessenen ist es auch für Neuankömmlinge einfacher, sich einzufinden und einem realistischen Vorbild zu folgen.
Der Rat der Weisen
Was bei all der “Glückseligkeit” mit seinen vertrauten Arbeitskollegen aber nicht vergessen werden darf, sind die “Neuen” im Büro. Diese sind oft eingeschüchtert durch die gefestigten Beziehungen, die manche Personen schon miteinander entwickelt haben und sehen es als sehr schwierig an, sich hier noch irgendwie einzugliedern. Der Umgang mit Bekanntem ist schön und gemütlich, aber die Erforschung des Fremden ist das, was unser Gehirn am laufen hält. Es ist also falsch, die neue Person am Rande der Gruppe stehen zu lassen – man muss sie langsam reinholen, Vertrauen aufbauen, Projekte miteinander abwickeln, sich besser kennenlernen, gemeinsame Erlebnisse schaffen. Oft beherrschen einen hier aber Bedenken: wie lang wird dieser neue Mensch noch hier sein, vergeude ich vielleicht meine Zeit für jemanden, der es nicht ernst meint mit dem Unternehmen, seinen Mitarbeitern und mit mir? Aber auch hier, schon wieder, gelten die selben Regeln wie bei anderen Beziehungen die gerade am Anfang stehen: wer weiß schon was kommen wird. Sich zu verschließen, mit dem Glauben sich selbst dadurch zu schützen, ist ein feiger und blinder Weg. Vielleicht geht alles in die Hose, vielleicht erlebt man aber auch lustige, kreative, produktive Momente mit dieser Person – der Ausgang dieser Geschichte ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig, von denen die wenigsten unter unserer Kontrolle stehen. So oder so sammeln wir Erfahrung und lernen Neues – wovor man nie scheuen sollte.
Ich finde es toll, dass einige meiner Arbeitskollegen und natürlich Jürgen, unser Chef, nun schon seit mehr als 5 Jahren mit mir gemeinsam hier sind, was wir schon alles erlebt haben, wie gut wir einander schon kennen, unsere Macken nicht mehr voreinander verstecken müssen und die tollen Projekte, die wir dank unserer guten Beziehung schon umgesetzt haben. Dies konnte sich nur durch unsere offene und herzliche Firmenkultur entwickeln, in der es eine sehr flache Hierarchie gibt. Wenn man Berufliches und Privates strikt trennt, weiß man gar nicht, was einem entgeht, aber das ist natürlich jedem selbst überlassen.
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