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7 Dinge, die ich auf der AWWWARDS Berlin gelernt habe

19. Februar 2018, von Stefan
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Vor Kurzem war ich auf der diesjährigen AWWWARDS Konferenz „Digital Thinkers“ in Berlin, eine große Zusammenkunft von Designern, Web-Developern, Illustratoren, Typographen und Digital Thinkers aus allen Ländern der Welt. Gemeinsam lauschten wir den inspirierenden Talks namhafter Personen aus der digitalen Kreativ-Szene, nahmen an Workshops teil, vernetzten uns und unterhielten uns in den Pausen über Gott, das Web und Künstliche Intelligenz, ob Terminator oder Her uns einmal Lichter ausblasen werden und ob Matrix gar nur eine Dokumentation war. Unter den Speakern fanden sich Namen wie Joel van Bodergraven, Michael Flarup, Anton & Irene, Jeany Ngo und viele interessante Persönlichkeiten mehr. In den über 20 Talks gabs ein breit gefächertes Themenspektrum, angefangen bei UX über Design und Kunst bis hin zu Inspiration, Lebensweisheiten und Coding-Insights. Gehostet wurde das Event von Mr. Bingo, ein früherer Illustrator, der irgendwann von seinen Kunden die Nase voll hatte und von da an als „Künstler“ mit seinen eigenen Ideen weitermachte. Wahnsinnig skurriler, lustiger Kerl, der tolle Kunstprojekte ins Leben ruft hinter denen herzliche, ergreifende und bewegende Geschichten stecken.

Ich habe mir überlegt, wie ich euch denn am besten eine Zusammenfassung von meinen Eindrücken geben könnte. Alle Talks chronologisch in kurzer Form wiedergeben? Oder besser alles zusammengefasst? Schlussendlich dachte ich mir, bzw. gefiel mir die Idee besser, euch einfach das zu schildern, was für mich persönlich am interessantesten war, welche Ansichten und Eindrücke für mich am nützlichsten waren bzw. was für mich selbst und für meinen Beruf als größte Inspiration diente – kurz, was ich für mich auf dieser Konferenz gelernt habe.

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I. Anticipatory Design

We approximately make 35.000 decisions a day, that causes a lot of mental stress and decision fatigue. Joel van Bodegraven

Mit einem meiner neuen Lieblingsthemen bin ich bereits einen Tag vor der eigentlichen Konferenz in Berührung gekommen. Am Mittwoch, dem Tag vor dem Show-Start, nahm ich bei Joel van Bodegraven’s (UX Designer bei Travelbird) Workshop zu „Design For Automation“ teil und bekam erstmals tiefere Insights zum Thema Anticipatory Design bzw. Predictive UX und experimentierte mit diesem Denkansatz gemeinsam mit anderen in Gruppen herum. Am Donnerstag gabs auch einen eigenen Talk von Joel zu dem Thema. Anticipatory Design, bzw Design, das den Usern einen Schritt voraus ist, ist ja nichts Neues für einen UX Designer, werden womöglich einige denken. Darum dreht sich ja im Prinzip unser Job, User Needs erkennen, diesen entsprechend zuvorkommen und diese positiv bedienen.

Für Joel, der mittlerweile eifrig eine Anticipatory Design Community vorantreibt, steckt aber noch viel, viel mehr dahinter und er sieht, durch die Technologien die uns heute zur Verfügung stehen und in Zukunft immer ausgereifter werden, das Potential dahinter erst so richtig vor seiner Entfaltung.

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Für uns Menschen ist es erwiesen, dass wir jeden Tag ungefähr 35.000 Entscheidungen in unserem Gehirn tätigen. Diese Überladung an Entscheidungen verursacht, auch wenn wir es vielleicht nicht immer bewusst wahrnehmen, enormen mentalen Stress und mentale Erschöpfung.  Nur ein ganz simples Beispiel, damit ihr wisst was ich meine: Geht zum DM und kauft euch eine Handzahnbürste. Joel definiert Anticipatory Design als ein Design Model, das auf den Eckpfeilern Lernen (Internet of Things), Prognostizieren (Machine Learning) und Zuvorkommen (UX Design) aufgebaut ist. Ziel ist es, zu identifizieren, wo Menschen mit unnötigen Entscheidungen konfrontiert sind und Lösungen zu entwickeln um diese Entscheidungen zu eliminieren, damit sie sich auf ihre eigentlichen Ziele konzentrieren bzw. mit jenen Dingen beschäftigen können, die sie auch gerne tun. Das hier mal als ganz kurze Beschreibung worum es bei Anticipatory Design geht. Ich arbeite gerade auch an einem Beitrag, wo sich alles nur um dieses Thema dreht, wo ich euch genauere Insights dazu gebe, Beispiele erkläre und auch zeigen werde, wie man eine Customer Journey bzw. eine Experience Map aus dem Anticipatory Design Blickwinkel erstellt. Kommt in Kürze, stay tuned.

II. Imposter Syndrome (und wie man es in den Griff bekommt)

Einen überaus interessanten und wahnsinnig ehrlichen Talk gab es von Jeany Ngo, ehemaliger UX Designerin bei AirBnB und aktuell wieder Freelancerin. „Hello I’m Jeany, and I am an imposter.“ begann sie ihren Talk und machte damit auf eine psychische Krankheit aufmerksam, welche sich durch breite Kreise erfolgreicher Menschen zieht – das Imposter Syndrom bzw. Hochstapler-Syndrom. Menschen mit Hochstapler-Syndrom leiden darunter, dass sie sich ständig wie ein Betrüger fühlen, dass sie ihre Position nicht verdienen, eingeschüchtert sind von Kollegen, dass sie ständig Angst haben, jemand könnte Defizite an ihrer Person und in ihrem Können entdecken. So auch Jeany, die kein Design an einer angesehenen Universität studiert und Auszeichnungen bekommen hat, sondern die sich alles selbst einfach mit Anleitungen aus dem Internet beigebracht hat. Ihr Können hat andere so sehr überzeugt, dass sie sich in kürzester Zeit neben den bestausgebildeten Designern im Silicon Valley wiederfand, diese sogar angeführt hat. Sie selbst fühlte sich aber immer so, als würde sie all das nicht verdienen. Das Imposter-Syndrom ist weiter verbreitet als man denkt, das hat auch Jeany herausgefunden, hat aber Ansätze entwickelt und erfahren, wie sie sich dem stellen und ihre Ängste überwinden kann. Diese Ansätze sind aber nicht nur für Imposter hilfreich. Meiner Meinung sind sie für uns alle wichtig und sollten in unser eigenes Leben einfließen. Im Folgenden möchte ich diese kurz darstellen:

 

  • Lerne zu begreifen, dass es keinen „perfekten“ Zustand gibt

Unsere Erwartungshaltung, das etwas einen perfekten Zustand erreichen wird, speziell wir selbst, unserer Skills und unsere Arbeit, kann uns psychisch brechen, wenn wir uns ständig unser aktuelles Ich mit einer perfekten Version vergleichen und diese perfekte Version „jetzt“ erreicht haben wollen. Wir dürfen nicht denken, wir stehen am Ende unserer Entwicklung und es ist Tag der Abrechnung. Wir müssen begreifen, dass es nie eine perfekte Version von irgendetwas geben wird. Wir sind immer, unser ganzes Leben lang, in einem Reifeprozess. Wir werden immer etwas dazu lernen. Wir werden immer an Erfahrung dazu gewinnen. Wir werden immer über uns hinauswachsen. Wir befinden uns ständig in einem Entwicklungsprozess. Es gibt keinen Zustand der Perfektion. Diesen wird es nie geben. Und das ist gut so.

 

  • Was Erfolg bedeutet, bestimmst nur du allein

Definiere „Erfolg“ für dich selbst und sei dir bewusst, dass dein Erfolg nicht messbar ist mit dem von jemand anderem. Wir vergleichen uns immer wieder sehr gerne mit anderen Menschen und sagen zu uns selbst, dass wir auch gern so wären, wir das auch alles können wollen und sind verwundert und eingeschüchtert. Wir messen uns gern an anderen Menschen. Das dürfen wir nicht, denn auch das kann uns psychisch schwer belasten. Wir sind nicht diese Menschen. Wir haben andere Erfahrungen erlebt. Wir haben andere Geschichten zu erzählen. Wir sind in einem anderen Entwicklungszustand. Wir sind wir und nicht die anderen. Klar, wir holen uns Inspiration von anderen, aber was Erfolg bedeutet, definieren wir nur für uns selbst.

 

  • Misserfolge sind nichts Schlechtes

Wir alle haben große Angst vor Versagen. Wir müssen aber begreifen, dass Versagen und einen Misserfolg ernten uns nicht umbringt. Im Gegenteil. Einen Misserfolg einheimsen bedeutet schlicht und einfach, dass etwas nicht so gelaufen ist, wie wir es uns erwartet hätten. Scheitern ist eben auch immer eine Option. Und manchmal ist es die beste Option, denn die Erfahrung und die Reife die wir durch Fehlschläge ernten und was wir daraus für uns lernen kann oft viel Besseres mit sich bringen als ein Erfolgserlebnis auf den ersten Schlag.

III. Lerne nein zu sagen

Ich sage es, wie es ist: Wir Dienstleister im Kreativ- und Innovationsbereich werden noch sehr oft in der „normalen“ Wirtschaftswelt, wo sich auch unsere Kunden tummeln, nicht auf Augenhöhe gesehen. Uns wird für unsere Arbeit, die wir leisten, die essentiell ist für den weiteren Bestand derjenigen die sie in Anspruch nehmen, oft nicht die nötige Wertschätzung entgegengebracht. Zwar hat es oft den Anschein als wäre es so, aber hinterrücks sieht’s dann anders aus. Man behandelt uns zeitweise wie Tiere in der Massenhaltung. Herumschieben, verschärbeln, nächster bitte. Da darf man zu Pitches antanzen, vorarbeiten ohne auch nur einen Cent zu bekommen, Kostenschätzungen abgeben ohne zu wissen was es denn jetzt wirklich werden soll, Projektpläne für Timelines erstellen, die absolut absurd und fern jeder Realität sind, Preisdumping bis zum geht nicht mehr, denn man hat ja kein Geld aber man solle an die tollen Möglichkeiten in der Zukunft denken, man ist ja an einer längerfristigen Partnerschaft interessiert und und und. Aber wir sind ja alles kleine junge Hipsterbuden, wo alles lustig ist und nicht verstanden wird wie die „echte“ Welt funktioniert, bei denen es kein Wochenende gibt und deren Tag 48h hat, weil die ja immer so stolz erzählen, dass sie ihr Arbeit lieben, das macht ihnen schon nichts aus.

Daran wird sich auch nichts ändern solange wir nicht lernen Nein zu sagen. Wir sind keine Bitches. Wir sind diejenigen die die Zukunft gestalten werden, wir sind die Player, bei uns steckt das innovative Wissen. Ohne uns geht nichts. Wir arbeiten MIT PARTNERN. Und nicht FÜR KUNDEN. Seid euch selbst treu. Seid euch selbst etwas wert. Stellt für euch fest, was in Ordnung ist und was nicht. Wann ihr ein Projekt annehmt. Und wann nicht. Ähnlich wie beispielsweise  Tavo Studio aus Spanien, das Projekte nur entgegennimmt, wenn zumindest eines der folgenden Kriterien erfüllt ist: Creative Freedom. Good Timeline. Budget.

IV. Eigenprojekte sind ein Muss

Don’t put crap in your portfolio, or your clients asks for crap. Anton & Irene

In fast allen Talks kam zur Sprache, wie wichtig es ist, neben dem Alltagsbusiness Projekte für sich selbst zu machen. Wir machen unseren Job, weil wir Profis darin sind und Freude daran haben. Es ist wichtig, dass der Spass, die Freude und die Entwicklung unserer Skills aufrecht erhalten bleiben. Es kann schon mal passieren, dass wir die Liebe für das was wir wirklich tun, manchmal aus den Augen verlieren. Beispielsweise aus den zuvor genannten Gründen. Oder weil wir uns mit unseren Zielen verzetteln, weil wir mit den immergleichen Projekten beauftragt werden. Es gibt viele Gründe. Indem wir uns aber auch die Zeit nehmen, unseren eigenen Interessen in der Arbeit nach zu kommen, uns in Eigenprojekten „ausleben“, halten wir die Balance aufrecht, bleiben unserer jeweiligen Leidenschaft treu, entwickeln uns weiter, stellen sicher, dass wir nicht abdriften. Was mich auch schon zur nächsten Lektion führt.

V. „You become what you work on“

Es ist enorm wichtig, dass wir folgendes verstehen: Wir werden zudem, an was wir arbeiten. Wir dürfen uns nicht wundern, wenn uns im Job langweilig wird, wenn wir nicht die Art von Projekten bekommen die wir gerne hätten, wenn wir stehen bleiben, uns nicht weiterentwickeln und abdriften von dem was eigentlich unser Ziel ist, wenn wir an den falschen Dingen arbeiten. Nur weil wir gut in etwas sind, heißt es nicht, dass es für uns auch das Richtige ist, dass es uns Spaß machen muss. Daher: An Eigenprojekten arbeiten, die Welt daran teilhaben lassen und wir werden Kunden anziehen, die mit uns solche Projekte machen möchten. Nur unsere besten Projekte in unseren Referenzen präsentieren, oder wir werden mit Projekten beauftragt, die wir eigentlich gar nicht wollen. Das Gesetz der Anziehung hat nicht nur im Privaten, sondern auch im Beruflichen seine Daseinsberechtigung. Wenn es jemandem nur ums Geld geht, gerne, warum nicht, jede und jeder wie sie und er möchte. Aber sudert nicht, wenn euch eure Arbeit keinen Spaß macht. Ihr habt es selbst in der Hand.

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Michael Flarup hat diesbezüglich mit seinem Talk „How I became a maker (and learned the secrets of the universe)“ den für mich persönlich besten Talk auf der Konferenz gehalten. Ich hab von ihm am meisten mitgenommen und viel Bestätigung zu dem erhalten, was ich mir schon immer gedacht habe. Jetzt ist es noch mal klarer. Falls ihr Interesse habt, hier für euch das Video zum gleichen Talk auf einem anderen Event. Ich kann nur jeden empfehlen sich für seine Worte Zeit zu nehmen.

VI. It’s not about conversion

Conversion ist Bullshit. Wen du nichts kannst bzw nichts dazu beitragen kannst den Menschen etwas zu geben das ihnen etwas Gutes tut, dann vermarkte es auch nicht so, versuch es nicht ihnen aufzuzwingen. Kennzahlengeile Conversiontreiber werden es wahrscheinlich nie verstehen, aber der Schlüssel zu Erfolg liegt einzig und allein darin, Mehrwert und Bereicherung zu schaffen. Menschen werden es sehen, es erleben, es wollen. Zwing den Menschen keinen Sch**** auf. Wenn wir verstehen, was die Menschen wirklich brauchen, dafür passende Services und Produkte schaffen die echten Mehrwert generieren und die Menschen die Nutzung als tolle Erlebnisse empfinden, rollt der Ball. Therefore: It is not about conversion. It is all about experience.

VII. Take a Nap

Ja genau, gönn dir. Du arbeitest gut, du arbeitest viel, du leistest Großartiges. Klar, dass man da mal etwas müde wird. Das zu ignorieren und sich weiter quälen, bringt nichts. Setz dich hin, mach ein kleines Schläfchen, und dann geht’s frisch und munter weiter. Die Qualität deiner Arbeit wird’s dir danken. Genier dich nicht. Viele machen das. Build in Amsterdam machen das. Auch wir machen das. Nur eine Sache: Leg dich bitte nicht hin, sonst passiert’s leicht, dass du ein paar Stunden weg bist 😉

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Die AWWWARDS nennt sich selbst die größte Konferenz zum Thema User Experience. Dem kann ich nicht ganz zustimmen, ist sie doch gern Bühne für Portfolioshow und Selbstdarstellung. Jedoch mischen sich immer mehr Speaker wie Joel van Bodegraven, Julia Kloiber, Jeany Ngo ins Programm, die es sich zum Ziel genommen haben, für Mensch und Mehrwert zu designen, bei denen es wie bei uns nicht mehr um Marke und Werbung geht, sondern um Produkte und Dienstleistungen und in ihren Talks mehr zu bieten haben als Projektpräsentationen. Was die Gäste auf der Konferenz auch sehr begrüßen. Nächstes Mal möchte ich gern selbst auf der Stage stehen um unsere Gleichgesinnten zu unterstützen. Würde mich freuen wenn es klappt.

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Stefan

Meine Rolle bei Liechtenecker: Experience & Visual Designer, hauseigener Fitness & Strength Coach, steirischer Märchenprinz Wenn es weder IT noch Digitalisierung gäbe, wäre mein Beruf: Seefahrer / Tätowierer Mein Herz schlägt für: Das Meer, Calamari, Illustration, Eisen & Stahl

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