Die Suche nach meiner täglichen UX/UI Routine
Ich habe recherchiert, wie andere UX/UI Designer:innen ihre Skills täglich abseits von Kundenprojekten üben - und welche tägliche Routine ich mir ab jetzt angewöhnen möchte.
Seit über drei Jahren arbeite ich bei Liechtenecker als UX/UI Designerin, zurzeit an sechs unterschiedlichen Projekten. Während man meinen könnte, ich würde ständig meine kreativen Skills trainieren, verbringe ich die meisten Stunden damit, machbare Lösungen im Zeit- und Budgetrahmen zu finden, Dokumentationen zu schreiben, Kund:innen zu überzeugen und mich mit dem Team abzusprechen. Was mir dabei fehlt, ist kreative Spielzeit, in der ich frei denken und neues ausprobieren kann. Auf eine risikofreie und manchmal zwecklose Art und Weise.
In meiner Freizeit als Künstlerin habe ich mir dafür eine Routine geschaffen – ich fülle jeden Tag eine Seite meines 365-Tage-Notizbuchs. Dabei nutze ich zum Beispiel neue Techniken oder probiere unterschiedliche Stile aus. Im Notizbuch bin ich ziemlich eingeschränkt – denn es ist nicht sonderlich groß und das Papier recht dünn. Und gerade dadurch bleibe ich „am Ball“ und sammle darin täglich neue Ideen, die ich später in größeren Gemälden verwenden kann. In diesem Notizbuch habe ich keine Angst davor, eine Seite zu „vermasseln“. Denn alles was zählt ist es, die Seite mit irgendwas zu füllen. Und nach ein oder zwei Wochen merke ich, wie jeder der kleinen Schritte mich im Endeffekt weiterbringt. Das ist sehr erfüllend!
Letzte Woche habe ich mir also vorgenommen, etwas Ähnliches für meine Designer-Tätigkeit zu kreieren. Ein „digitales Notizbuch“, in dem ich jeden Tag etwas Neues ausprobieren könnte. Da gerade im digitalen Bereich die Möglichkeiten endlos sind und man sich schnell zu große Ziele setzen kann, möchte ich etwas finden, das wirklich schnell geht. Es muss so einfach sein, dass ich es nicht aufschieben möchte, sondern wirklich tagtäglich tue. Am Ende möchte ich durch diese Übungen eine Art UX/UI Sammlung haben, die ich auf der Suche nach kreativen Ideen für Kund:innenprojekte durchsuchen könnte.
Die Recherche
Wie immer begann ich mit ein wenig Recherche darüber, was andere Designer:innen schon ausprobiert haben und fing parallel schon an, an diesem Artikel zu schreiben. Denn ich hasse es etwas nur zu lesen, ohne es sofort anzuwenden und „in meinen Händen halten“ zu können.
Einige offizielle „Challenges“, die ich gefunden habe:
- Ich habe diesen tollen UX Writing Newsletter entdeckt, bei dem man 14 Tage lang eine kurze Übung geschickt bekommt. Man muss eine Überschrift, einen kurzen Absatz und einen Button für ein bestimmtes Thema in wenigen Worten texten. Das Schreiben auf Englisch ist für meine täglichen Tasks nicht sehr notwendig, aber ich speichere es trotzdem einmal ab.
- Diese Seite bietet eine Liste von 100 UX-Challenges, mit denen man Ideen für kleine Prototypen bekommt
- Hier ist eine coole Retro-Seite mit einem “random prompt generator for whiteboard design practice”
- Hier ist auch eine großartige Website, wo ihr UX Tools finden könnt. Es könnte hilfreich sein, da ab und zu reinzuschauen.
- Es gibt eine 100 Days UI Challenge, die schon von vielen Designer:innen gemacht (Dribbble, Collect UI), aber auch kritisiert wurde.
- Diese Sketching for UX-Übungen habe ich vor etwa vier Jahren schon gemacht. Diesmal suche ich nach etwas anderem.
Weitere Ideen
Basierend auf dieser Quora-Diskussion und meinem Brainstorming:
- Man könnte jeden Tag eine neue Funktion von Sketch, Figma, Illustrator, UXpin, InVision, Photoshop etc. lernen
- Oder täglich alltägliche Situationen bemerken, in denen man eine gute oder eine schlechte „User Experience“ hatte
- Man könnte am Ende jedes Arbeitstages über die eigenen Designs, Meetings und Interaktionen reflektieren und schriftlich festhalten
- Oder jeden Tag eine neue coole Seite oder App in die Lesezeichen abspeichern
- Noch besser ist es, sich die Seiten anzuschauen, die man schlecht findet, und überlegen, wie man sie verbessern könnte
- Auch könnte man eine App oder Website 1:1 nachdesignen, um dadurch neue Dinge zu lernen
- Oder noch besser – ein vorhandenes Design oder eine vorhandene Seite nehmen und 3–10 sehr unterschiedlich aussehende UIs damit kreieren. So kann man im gleichen Konzept verschiedene Stile und visuelle Möglichkeiten ausprobieren.
Ein paar weitere tägliche Ideen
(sie passen in diesem Fall nicht für mich, weil ich mehr visuelle Designaufgaben benötige):
- Unterschiedliche Herangehensweisen an Probleme und Herausforderungen ausprobieren. Grundsätzlich sollte man immer drei verschiedene Designs kreieren, anstatt sich gleich auf die erste Idee zu stürzen.
- Generell ist es für UX/UI Designer:innen gut, menschliches und soziales Verhalten zu verstehen, und sich mit Psychologie auszukennen. Da gäbe es wiederum sehr viele Tasks, wie man das täglich in seinen Alltag integrieren könnte
- Ich finde es auch wahnsinnig hilfreich zu beobachten, wie andere Menschen Apps, Websites, und Technologie generell verwenden. Das muss man sich nicht immer extra vornehmen, sondern einfach mal die Augen offen halten. Zum Beispiel, wenn jemand vor dir ein Ticket am Automaten kauft.
- Natürlich ist es auch nie schlecht, sich mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu befassen (zum Beispiel Nielsen & Norman). Da lese ich aber immer nach Bedarf, wenn ich nach einer Argumentationshilfe suche.
Nach all dieser Recherche, stellte ich fest, dass ich eher auf der Suche nach einer täglichen UI-Challenge bin. Ich möchte mein innerliches visuelles „Portfolio“ erweitern, denn da fehlt mir gefühlt im Moment am meisten.
Und während dieser Artikel hier suggeriert, dass es jetzt eine „Besessenheit davon gibt, nur schöne anstatt auch funktionelle Produkte zu designen“, weiß ich, dass wir das bei Liechtenecker sehr gut können. Wir denken uns täglich userfreundliche und durchdachte digitale Produkte, um damit Pain Points von Usern zu beheben. Mit meiner neuen UX/UI Routine möchte ich aber zusätzlich die Grenzen des visuell Möglichen verschieben. Ich brauche mehr Ideen für das „gewisse Extra“, etwas „Feenstaub“, der zusätzlich zur Funktionalität begeistert und verzaubert.
Meine neue UX/UI Routine
Für jede Minute, die du mit dem Lesen von Designartikeln verbringst, verbringen lieber 10 Minuten damit, tatsächlich etwas zu designen. Erik D. KennecyDesign
Tägliche Aufgaben
Eine Sache, die ich täglich versuchen werde, ist die UI Design Challenge, für die ich mich bereits angemeldet habe.
Da ich verschiedene Ideen erforschen möchte, werde ich mir eine Woche pro Übung nehmen statt nur einem Tag. Eine solche Aufgabe lautet z.B. „Create a sign up page, modal, form, or app screen related to signing up for something. It could be for a volunteer event, contest registration, a giveaway, or anything you can image.„
Ich werde immer zuerst recherchieren, um Best Practice Websites und Apps zu finden, diese zu analysieren und zum Teil zu kopieren. Außerdem werde ich überprüfen, wie das andere Designer:innen auf Dribbble oder Collect UI angegangen sind, um herauszufinden, was „noch fehlt“.
Ich werde auch viel weiter in die Tiefe gehen, als alle anderen auf Dribbble & Co. Denn UI Elemente haben ja nicht nur einen Zustand, sondern ganz viele. Auf Englisch heißen sie „hover, active, empty, error, warning, success, disabled, active, and pending states“. Und die Experience hört nicht nach dem ersten Screen auf, da werde ich also weiter in die Tiefe gehen.
Und zu guter Letzt werde ich verschiedene Look & Feels, Brandings & Styles pro Task ausprobieren, um meine kreativen „Muskeln“ zu stärken.
Diese neue UX/UI Routine ist also irgendwo zwischen Grafikdesign und Produktdesign angesiedelt, und ergänzt sich gut mit meinen anderen täglichen Tasks.
Freitag-Challenge
Es gibt keine gute und schöne UI ohne ein durchdachtes Konzept dahinter. Daher überlege ich, die nächsten Wochen diesen 17 Übungen widmen. Ich werde mir jeden Freitag ein Zeitlimit von 2 Stunden setzen, um für eines dieser Probleme eine neue Lösung zu finden, in einer Form, dass ich das online teilen könnte.
Tägliche UX/UI Routine, Klappe die Erste
Mein „digitales Notizbuch“ ist jetzt ein Figma-File, in dem ich eine Seite für die Daily UI Challenge und eine für die Freitags-UX-Übungen erstellt habe.
Hier ist mein allererster Versuch der ersten Aufgabe, bei der man einen Registrierungsscreen erstellen soll.
Im Laufe der nächsten Woche werde ich den Prozess der Schritte 2 und 3 entwerfen, Anmeldeoptionen mit sozialen Netzwerken hinzufügen. Und auch die Option, sich anstatt mit einer E-Mail, mit einer Telefonnummer anzumelden. Zudem werde ich auch verschiedene Stile und Brandings ausprobieren.
Drückt mir die Daumen – ich hoffe, dass die neue Routine funktioniert. Ich freue mich außerdem über eure Meinungen und Tipps, wenn ihr abseits von Projektarbeit eine tägliche UX/UI-Routine erfolgreich umgesetzt habt.
Letzter Gedanke: Hierbei hat mich auch das Buch Atomic Habits von James Clear stark beeinflusst. Ich bin davon überzeugt, dass tägliche kleine Schritte in Summe zu gigantischen Fortschritten führen können. Also große Empfehlung meinerseits!
Alles Liebe, Natalia
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