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Aus dem Leben eines UX-Designers – Geschichten von der Front

4. Dezember 2018, von Blumi

Ich hatte keine Ahnung von UX Design. Jedenfalls nicht vor sechs Jahren. Als ich 2012 das erste Mal bei einer Veranstaltung einen Vortrag über User Experience gehört habe, dachte ich mir sogar „Damit verdienen die Kohle? Kein Design, keine Programmierung, nur Gerede?“.

Ein Jahr später kam mir aber schon die Erleuchtung und ich begriff, dass gutes Design und ein „Funktionieren“ allein nicht alles ist. Denn, es gibt da eine ganz große Komponente, die ausschlaggebend dafür ist, ob ein Produkt Erfolg hat oder nicht – da haben wir sie wieder – die User Experience. Der Groschen fiel und ich dachte “Coole Gschicht!“. UX, das will ich machen. UX, das will ich lernen. Und habs dann auch gemacht. Autodidaktisch, Learning by Doing und viele Projekte später sitz ich hier nun als selbstsicherer UX Designer und beschäftige mich nun neben dem wie es am Ende aussieht, nun auch zu Beginn damit, was es kann und wie es funktioniert. Quasi Architekt und Maler zugleich.

Optimale Kombi für mich, hatte es mir doch früher als “Online Beauty Doc” immer schon die Kabeln an meinem Halse rausdrücken lassen, wenn mir was zum Designen vorgelegt wurde, das sich beim Durchdenken dann als offensichtlicher Bullshit entpuppte. “Welche Leute denken sich das aus?” Hirn ausschalten und “Anmalen” war in diesen Situationen die Devise. Nun aber kann ich dafür sorgen, dass ich das was ich im zweiten Step designe, ich im ersten Step so konzipiere und die Weichen so stelle, dass auch wirklich etwas G’scheites rauskommt.

Produkte, die ihr Nutzungsversprechen brechen, braucht kein Mensch. Verpulvertes Budget für Marketing-Terror und Conversion-Jägerei wird auch nichts mehr daran ändern.

Als meine Aufgabe als UX Designer sehe ich es primär, dafür zu sorgen, dass am Ende einer Service oder Produktentwicklung die Nutzer Freude an der Verwendung haben, keinen Frust verspüren und ihnen ein echter Mehrwert geboten wird. Tut es das nicht, braucht das Ding kein Mensch und verpulvertes Budget für Marketing-Terror und Conversion-Jägerei wird auch nichts mehr daran ändern. Um das zu gewährleisen, begleite ich jedes Projekt von Anfang bis Ende und hantiere mit lauter geschmeidigen Dingen wie Analysephasen, Interviews, Design Thinking Workshops und Design Sprints, Customer Journeys, Service Blueprints, Prototyping, Guerilla Testings, Produkt Field, Agile und Lean UX und vieles mehr. Klingt aufregend. Ist es auch.

Trotz alledem gibt es bei jedem Projekt immer wieder die Skepsis zu den gleichen, zum Teil “banalen” Dingen, wo du als UX Designer womöglich in erster Linie nicht daran gedacht hast, dass diese ein Problem darstellen könnten. Gerade deshalb aber solltest du stets eine Erklärung parat haben, um diese Thematiken schnell abzuhandeln damit du dich in den Kunden-Meetings und Kunden-Workshops um die wirklich wichtigen Dinge kümmern kannst.

 

“Da muss man ja scrollen.“

Das Scrollen ist gelernt. Punkt und Aus.

Scroll-Phobie und Anti-Scrollitis sehen wir bei fast jedem Projekt sobald wir erste Scribbles oder Wireframes präsentieren. “Da muss man scrollen, das werden die User nicht verwenden.” ertönt hier meist das Show-Stopper Argument. Grund dafür ist einfach das oft begrenzte Vorstellungsvermögen von Personen sowie gewohnte Arbeitsprogramme im Millenium Style, wo eben alles mögliche auf einem Screen abgebildet wird. Kein Grund zur Panik, einfach den Leuten die “Augen öffnen” und Ihnen bewusst machen, dass alles was Sie heutzutage digital am Tablet oder Smartphone nutzen bereits gescrollt wird, Facebook, Instagram oder für Social Media Verweigerer Spotify und andere Apps. Das Scrollen ist gelernt. Punkt und Aus. Man vergisst nur leicht, dass man es jeden Tag schon tut.  Natürlich sollten die wichtigsten Elemente stets “Above the Fold” sein und wenn es “unten weitergeht”, sollten im Design Elemente von unten am unteren Rand des Screens schon angerissen sein, aber Scrollen grundsätzlich ist heutzutage absolut kein Thema. Hat man diesen Leuten dann damit die Augen geöffnet, ist das Thema erledigt. Am besten ist es natürlich gleich mit Prototypen arbeiten, um den Leuten mit weniger gutem Vorstellungsvermögen gleich den Aha-Effekt zu geben.

 

„Können wir da nichts mit Wischen machen?”

So sehr oft eine anfängliche Abneigung zum vertikalen Scrollen herrscht, erlebt man parodoxer Weise fast immer eine hoch intensive Leidenschaft, fast schon eine “Geilheit”, für das horizontale Scrollen, das die Kunden stets als “Wischen” bezeichnen.  “Können wir da was mit Wischen machen?”. “Wir haben uns Geräte zum Wischen gekauft, jetzt brauchen wir auch was zum Wischen.” Alles was zum Wischen ist, ist für den Kunden intuitiv und innovativ. Sogar wenn die Interaktion per se absolut keinen Sinn macht.

Überlege immer schon von vornherin mit, ob und wie du „Wischen“ sinnvoll integrieren kannst.

Daher müssen wir hier die Kunden etwas bremsen. Wenn du etwas für Geräte konzipierst, die diese Gestik ermöglichen, überlege immer schon von vornherein mit, ob und wie du diese sinnvoll ins Spiel bringen oder eine nette Microinteraction integrieren kannst. Du wirst dafür Standing Ovations ernten. Missbrauche das aber nicht und bändige den Kunden, wenn es einfach keinen sinnvollen Anwendungsfall gibt.

 

„Da ist soviel Platz.”

Freiraum ist gut. Verteidige ihn.

Ja und das ist gut so, denn sonst siehts wieder aus wie in den 2000ern, alles zugemauert, kann keiner was lesen und niemand weiß was zusammen gehört. Freiraum ist gut. Verteidige ihn.

 

„Das ist ein Klick mehr!”

Der User-Flow muss intuitiv und schlüssig sein, und wenn das heißt ein oder zwei Klicks mehr, dann ist es so.

Das ist schnurzegal. Dieses Argument hat absolut keinen Wert mehr. Der User-Flow muss intuitiv und schlüssig sein, und wenn das heißt ein oder zwei Klicks mehr, dann ist es so. Spätestens der User-Tests wird das bestätigen.

 

„Aber wann kriegen wir Screens?”

Man erklärt die Vorgehensweise, prototypisch und agil, zuerst das Funktionale, früh ausprobieren und feinschleifen, dann designen und entwickeln. Effizienter, intelligenter und kostentechnisch das Optimum für den Kunden, da hierdurch unnötige Arbeit weitestgehend vermieden wird. Klingt für den Kunden gleich einleuchtend, trotzdem möchte er wissen “Aber wann kriegen wir den richtige Screens?”. Denn man möchte, wie mir oft scheint, lieber endlose Diskussionen über Farben und Icons führen als zuerst mal dafür zu sorgen, dass der neuen Anwendung ein ordentliches Prozesswerk zugrunde liegt. Natürlich möchte die Geschäftsführung auch etwas zum Anschauen haben, wo man sich nicht reindenken muss und dessen Optik in den ersten 3-Sekunden Betrachten das Herz erwärmen lässt, denn dann ist man am richtigen Weg.

… endlose Diskussionen über Farben und Icons …

So mag das früher gewesen sein, oder eine bisher gepflegte Arbeitsweise, jedoch um etwas ordentliches Aufzustellen muss eine andere Herangehensweise her. Diese kommunizieren und gut begründen warum und wieso und bitten, dass auf Seiten des Kunden hier dementsprechend auch mitgemacht wird. Screens gibt es selbstverständlich, doch alles zu seiner Zeit.

 

„Wir brauchen keine Tests!”

User-Tests sind ein Kostenfaktor. Ganz klar. Aber man muss es ja nicht übertreiben und ein Festival draus machen. Ein Test mit fünf Usern reicht bereits aus, um beurteilen zu können, ob man am richtigen Dampfer ist oder nicht. Setz dich zumindest für den Test nach der Konzeptionsphase ein. Konzeptionelle Mängel erst spät zu entdecken ist tödlich für dein Ansehen und für das Geldbörserl des Kunden.

Sichere dich ab!

Sicher dich daher immer ab.  Speziell wenn es zu Punkten kommt, wo der Kunde glaubt, er verstehe UX besser als du und er verlangt ums Verrecken die Umsetzung seiner Variante, distanziere dich von dieser Variante, sag klar und deutlich warum und wieso du diese nicht empfehlen kannst und sichere dich damit ab für den Fall, dass es im Testlauf bzw. im Live-Betrieb ein böses Erwachen gibt. Du hast es ja gesagt.

 

„Das verändern wir sowieso nicht!”

Der Kunde wünscht sich Innovation. Alles neu und vieles besser. Das Konzept steht, die Idee ist genial. Doch dann kommt die Angst und Skepsis. “Das können wir so nicht machen. Da müssen wir alles aufreißen. Da müssen wir zuviel angreifen. Das verändern wir sowieso nicht…” Nach der anfänglichen Euphorie haben die Leute nun begriffen, was es heißen würde, das tatsächlich zu realisieren. Unmut tut sich auf. Denn “Sauviel”-Arbeit steht damit bevor. Dann wird versucht das Konzept zu zerlegen um eine weniger aufwendige “Frankenstein”-Version daraus zu schustern. Das sind die Momente, in denen du, wenn du sie die ersten Male hast, in der ersten Emotion den ganzen Raum samt allen Leuten einfach anzünden möchtest. Tu es nicht und gewöhn dich dran.

Gib ihnen zu verstehen, warum Schustervarianten keine Lösungen sind

Versuch dich in die Leute hineinzuversetzen. „Alles neu und vieles besser” heißt es jetzt zu realisieren. Da kann man schon mal Panik bekommen. Mach ihnen nochmal das Ziel klar und das, was all die viele Arbeit bewirken wird. Gib ihnen zu verstehen, warum Schustervarianten keine Lösungen sind, warum man so nicht vom Fleck kommt, warum man so die User Experience verdirbt. Hilf ihnen dabei anzufangen indem du mit ihnen eine Roadmap ausarbeitest. Zeige Ihnen wie man ein “Big Picture” strukturiert angehen kann. Hilf ihnen Stück für Stück ans große Ziel.  

Deine Rolle als UX-Designer

Als UX-Designer leistest du viel Überzeugungsarbeit. Als UX-Designer bist du kein stupider Umsetzer. Du bist als UX-Designer der Anwalt der User. Wenn du weißt, dass du richtig liegst, steh dazu und setz dich dafür ein, das dem Kunden beizubringen. Das ist ebenfalls deine Rolle. Übernimm das Kommando. Öffne ihnen die Augen bei eingefahrenen Mindsets, bewahre sie vor Fehlern, ermutige sie neue Wege zu gehen, sei Sparring Partner. Arbeite MIT ihnen, nicht FÜR sie. Dazu gehört eine Menge Geduld. Vereinzelt erweisen sich Bürokratie und Hauspolitik als schwere Gegner. Doch bleib dran und hol das Beste raus. Es lohnt sich am Ende. Hau rein!

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Stefan

Meine Rolle bei Liechtenecker: Experience & Visual Designer, hauseigener Fitness & Strength Coach, steirischer Märchenprinz Wenn es weder IT noch Digitalisierung gäbe, wäre mein Beruf: Seefahrer / Tätowierer Mein Herz schlägt für: Das Meer, Calamari, Illustration, Eisen & Stahl
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