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Die Macht der User – ernst zu nehmen oder Zwergenaufstand?

10. Juli 2010, von Susanne

Vor kurzem wurde ich vom Wirtschaftsblatt interviewt für einen Artikel mit der Schlagzeile: „Facebook-Piraten überfallen ÖBB“. Für unsere deutschen Leser – es geht um die österreichische Bahn. Ich sollte erklären, wie Unternehmen reagieren sollen, „die via Social Media ins Kreuzfeuer der Kunden geraten“. Nachdem ich die Sache nun beobachtet habe, frage ich mich, ab wann man so eine Bewegung auf Facebook ernst nehmen muss, oder ob hier nicht oftmals die Macht der User überschätzt wird.
Zuvor, meine Stellungnahme dazu, die sehr gut zusammengefasst wurde. Hier zum Nachlesen, auch wenn es mir in diesem Blogbeitrag um etwas anderes geht:

„Nicht Hinsehen ist das schlechteste“, ist sich auch Susanne Liechtenecker, Social Media Expertin bei der Agentur Liechtenecker, sicher. Sie bestätigt auch, dass in den meisten Unternehmen noch keine Strukturen für die öffentliche Kommunikation im Web 2.0 geschaffen sind. Ziel sei es eigene Plattformen zu schaffen, damit die Diskussionen direkt im Unternehmen stattfinden. Es gehe darum, auf Kritikpunkte konkret einzugehen. Liechtenecker empfiehlt, Usern, Fans und Kritikern die Möglichkeit zu geben, Ideen in das Unternehmen einzubringen. Regelmäßige User dieser Portale könnten sich schließlich zu Markenbotschaftern entwickeln.

Die ÖBB Fanpage, die die Preiserhöhung des Sommertickets kritisiert, hat bereits über 8.000 Fans. Grund genug, um als Unternehmen darauf zu reagieren. Die ÖBB ist sicherlich der erste österreichische Fall – abseits der Politik – der sich mit einer derartigen massiven Kritik via Social Media auseinandersetzen muss. Das Interessante daran ist, dass sie es auch tatsächlich tut.
Nachdem das Wirtschaftsblatt nicht das einzige Medium war, das die Geschichte aufgriff, sah man sich sicherlich gezwungen hier zu reagieren. Ausgezeichnet würde ich sagen. Leider ist das Unternehmen noch nicht aktiv mit Profilen im Social Web vertreten. Man bekam daher die Kritik erst mit, als sie es schon in die klassischen Medien schaffte. Oder man bekam sie mit, wollte oder konnte jedoch noch nicht reagieren. Denn wie schon erwähnt: Eigene Profile gibt es derzeit (noch) nicht.

Gute Reaktion

Was tat man also? Der Pressesprecher der ÖBB Personenverkehr AG legte sich ein offizielles Profil an, bekam Fan dieser Anti-Fanpage und beteiligte sich aktiv an der Diskussion. Es wurde auch ein Interview mit der Vorstandsprecherin, Frau Gabriele Lutter, veröffentlicht, die darin ebenfalls auf alle Kritikpunkte einging. Darüber hinaus wurden die Administratoren der Page, als Sprachrohr der Kritiker, zu einem persönlichem Gespräch bei der ÖBB eingeladen. Dazu gibt es dann auch Videos und Fotos für die restlichen Fans. Weiters gibt es schon Eingeständnisse der ÖBB, dass das Ticket im nächsten Jahr nicht teurer wird und mehr. An dieser Stelle möchte man fast schon applaudieren. Sehr gut!  Zuhören. Sich beteiligen. Auf die Kritik eingehen. Doch wie reagieren die User?
Eher teilnahmslos. Es werden immer wieder die gleichen Argumente bzw. die gleiche Kritik gepostet, obwohl es schon zigfach zu lesen ist. Sogar mit entsprechender Reaktion vom Pressesprecher. Offensichtlich dient also die Page einfach nur zum Sudern statt einer richtigen Diskussion bzw. Auseinandersetzung mit dem Thema. Ausnahmen gibt es natürlich. Genauso wie es User gibt, die für die ÖBB argumentieren. Aber, dass es jemand schätzt, mit dem Pressesprecher einen direkten Ansprechpartner aus dem kritisierten Unternehmen gegenüber zu haben, kommt nicht vor. Fast wird es gar nicht wahrgenommen.
Vielleicht überschätzt man dann aber auch die Macht der User bzw. ihr geäußertes Unbehagen. Auf „Gefällt mir“ ist schnell einmal geklickt. „Was? Das Sommerticket ist erhöht worden? Um 56 %? Ein Wahnsinn! Da bin ich dagegen!“ Und schon ist man Fan. Dann steht auch im Newsfeed seiner Freunde, dass man dagegen ist. Man ist gegen diesen ÖBB-Wahnsinn. Man fühlt sich fast schon politisch aktiv. Man hat ein Zeichen gesetzt. Und dann? Aus. Vielleicht noch ein Posting auf der Pinnwand, dass das alles ja schon sehr arg ist. Aber auch wirklich nur, wenn man sich tatsächlich gerade aufregen mag. Kehrt man dann wieder? Wahrscheinlich nicht. Hat man sich mit den tatsächlichen Argumenten auseinandergesetzt? Wenn man sich die Pinnwand derzeit ansieht, ganz sicher nicht.

Welche Lehren müssen nun Unternehmen daraus ziehen?

1.)

Über 8.000 Unterstützer einer Sache gegen mich, bedeuten nicht unbedingt tatsächlich aufgeregte, protestierende Anti-Fans meines Unternehmens.

2.)

Solange es „nur“ die Meldung in die Medien schafft, dass es so eine Gruppe gibt, muss man vor Angst nicht erzittern. Erst wenn über die tatsächliche Sache auch außerhalb der Fanpage berichtet und diskutiert wird, wird es besorgniserregend. Auch wenn ich natürlich versuchen sollte, dass es dazu nicht kommt. Das heißt im Fall der ÖBB: Es wurde darüber berichtet, dass sich Facebook User über die Erhöhung des Sommertickets beschweren. Jedoch wurde nicht über die Erhöhung selbst in den klassischen Medien berichtet und das Unternehmen dazu befragt bzw. in Frage gestellt.

3.)

Diese ganze Sache ist ein Beispiel dafür, dass man gerade als viel kritisiertes und angreifbares Unternehmen, es wagen sollte sich in Social Networks zu betätigen. Hätte die ÖBB bereits eigene Profile, so hätte sich die Kritik dazu wahrscheinlich zuerst dort gesammelt. Worauf man besser reagieren hätte könnte und vor allem früher. Ich wage nicht zu behaupten, dass es dann diese Anti-Fanpage nicht gegeben hätte, aber vielleicht wäre es anders gekommen. Vor allem hätte man eine eigene Community an Fans, die sich im Idealfall für die ÖBB äußern. Was sagen zum Beispiel Pendler dazu, dass die Jugendlichen gerne hätten, dass das Ticket nicht erst ab 8 Uhr früh gilt. Überfüllte Züge wären die Folge – ein Grund übrigens weshalb es zu dieser Zeitbeschränkung kam. Mit eigenen Profilen, kommt man in den Newsfeed der Fans. Die Postings des Pressesprechers sehen beispielsweise derzeit nur jene, die die Seite tatsächlich aufrufen und das tut sicherlich nur ein Bruchteil bzw. meist nur jene, die neu hinzukommen. Weiters kann man mit eigenen Social Media Auftritten der Kritik auch etwas Positives entgegensetzen. Dass es das Bedürfnis danach gibt, zeigt eine Gruppe, die von einem User als Gegenangebot zur Anti-Fanpage gegründet wurde. Darin geht es darum, als Sommerticket-Besitzer gemeinsam Spaß am Zug zu haben, gemeinsam zu Reisen und den Sommer zu erleben. Also darum, wofür die ÖBB eigentlich möchte, dass das Sommerticket steht!

Zum Schluss, meine Meinung zur ganzen Diskussion:

Ich persönlich finde die Ticketerhöhung aus den genannten Gründen der ÖBB nachvollziehbar. Am Besten hat es meiner Meinung nach einer der User getroffen, den ich an dieser Stelle zitieren möchte:

Jetzt aber genug von mir. Was meint ihr dazu? Also dazu, wie Unternehmen reagieren sollten. Nicht unbedingt zur ÖBB-Sache, da gibt es ja eine gute Fanpage dazu, wo man seine Meinung äußern kann. ;))

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Susanne

Meine Rolle bei Liechtenecker: Ideen-Generator, ist auf diversen Konferenz-Bühnen anzutreffen, bereichert unser Lab mit psychologischem Know-how Wenn es weder IT noch Digitalisierung gäbe, wäre mein Beruf: psychologische Forscherin im Bereich Bildung und Kinderentwicklung Mein Herz schlägt für: Meine Familie, Yoga, mit meinem Baby durchs Badezimmer tanzen
3 Kommentare.
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13. August 2010 um 09:23

Ich denke, dass Blogger und Facebooker Ihre Macht überschätzen bzw. hinsichtlich der kleinen Erfolge der Meinung sind Sie könnten die Welt verändern.
Eigentlich (zumindestens hier in Deutschland) sollten die völlig erfolglosen Proteste gegen politische Entscheidungen jedem zeigen, dass ein Blog oder Facebook Account gar nichts ausrichten kann.
Lediglich bei Unternehmen die um Kunden fürchten versucht man in Diskussion zu kommen oder revidiert getroffene Entscheidungen.
Dabei fällt durchaus auf, dass eine Diskussion – wie auch von Ihnen geschrieben – eher fruchtlos ist. Bei zu viel Geschrei gehen die leisen Töne unter.
Im Falle der ÖBB hätte man sicher auch ohne „Fanprofil“ bemerkt, dass nach 2-3 Wochen Geschrei sonst nichts passiert. Bahnkarten werden trotzdem gekauft. Kinderarbeit in der dritten Welt – egal, Turnschuhe und T-Shirts kauft man deshalb auch nicht bei einem anderen Anbieter.
Ölkatastrophe in Amerika, getankt wird trotzdem bei Aral…… Der Mensch ist nun einmal so und sobald die Unternehmen merken, dass die Lage sich immer wieder beruhigen wird, haben die Web2.0 Junkies wohl schon längst Ihren einzigen Trumpf falsch ausgespielt.

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