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Die verpönte Comic Sans

16. Januar 2015, von stephan
Liechtenecker Büro

Comic Sans: "Mich trifft keine Schuld"

„This looks like a Job for Me!“

Mit diesen Worten begann der Vortrag am 10. Dezember 2014 im Designforum mit dem doch allzu bekannten Vincent Connare – ein sehr lässiger und humorvoller Typ aus Boston, Massachusetts. Vincent Connare entwarf die (verpönte) Schrift „Comic Sans MS“, welche von der Microsoft Corporation 1994 veröffentlicht wurde und seit Windows 95 zu den Systemschriften von Microsoft Windows zählt.
Aa Comic Sans

Wie Vincent Connare dazu kam, diese Schrift zu entwickeln?

Die Schrift „Comic Sans MS“ wurde für die Benutzeroberfläche des Softwarepakets Microsoft Bob entwickelt. Rover Retriever (ein unschuldiger, kleiner, gelber Hund mit rotem Halsband und Glöckchen dran) und andere Figuren führen unerfahrene PC-Nutzer anhand der Sprechblasen zur Orientierung durch das System. Genau dafür entwarf Vincent Connare die berühmte, gut lesbare „Comic Sans MS“. Die Schrift wurde jedoch zu spät fertiggestellt, sodass sie nicht mehr eingebunden werden konnte. Das war aber nicht das Ende der „Comic Sans MS“, denn 1995 wurde sie für die Benutzeroberfläche des 3D Movie Maker eingesetzt.
Vincent Connare hat für den Einsatzbereich und für die Zielgruppe eine angemessene Schrift entwickelt. Aber wieso wird um diese Schrift so ein Trubel gemacht? Blogger verlautbaren ihre Meinung zur „Comic Sans MS“ in Hass-Blogs. Durch ihre kindlichen Züge ist sie sehr charakterstark. Aber das Kerning und die x-Höhe sind schlecht gemacht und dies fällt im Print stark auf. Sie ist aber nicht schuld, denn sie wurde ja für das Web entwickelt. Leider benutzten aber viele Unerfahrene diese Schrift, denn jeder hat sie als Systemschrift schon vorinstalliert und sie wirkt ja auch ganz „nett“. Wer sich von der Schrift auf Papier oder im Web noch nicht sattgesehen hat, kann sich das Font-Porn-Video „The Comic Sans Song“ von Gunnarolla und Andrew Huang ansehen. Auf sehr ironische Weise verherrlichen sie den Font in diesem Song.
https://www.youtube.com/watch?v=OBibXwwLBts 
Da dies ja nicht genug ist, gibt es auch schon einen Remix davon. Wäre lustig, wenn dieser Song im Radio laufen würde. 🙂
Nun aber zum Vortrag.

90 Minuten Witz & Überzeugung

Vincent Connare (54) zeigte zu Beginn des Vortrags einige Fotos aus seinen früheren Jahren. Er stellte jede abgebildete Person vor. Egal, ob sie bekannt ist oder nicht. Es weckte den Anschein, dass jede Person sehr wichtig für ihn ist und zu seinem Erfolg beitrug. Teilweise warf ihm das Publikum fragliche Blicke zu, denn es war nicht so klar, was er mit diesem Inhalt vermitteln wollte. Man erwartete sich einen Vortrag, der entweder streng und linear verlaufen würde, peinlich und fremdschämend oder aber mit Humor aufgezogen.
Vincent Connare macht von Schildern, Menütafeln, Speisekarten, T-Shirts u. v. m. Fotos. Nicht weil es cool ausschaut oder gut gemacht wurde, sondern weil die „Comic Sans MS“ als Schrift verwendet wurde. Einige dieser Fotos zeigte er in einer weiteren Stunde des Vortrags. Mit Witz und Überzeugung ging er die Fotos durch und gab bei einigen Anwendungen sein Unverständnis preis. Es gab keine typografischen Erklärungen, Entwicklungsschritte oder ähnliches, um den typografischen Prozess nachzuvollziehen. Mit einem Augenzwinkern gab er zu, dass die „Comic Sans MS“ sicher die weitaus bekannteste Schrift in allen Berufsgruppen ist. 😉 – Er war schon sehr amüsant und brachte sehr viel Humor in die Runde!
Den Vortrag beendete Vincent Connare dann mit einem Geständnis, denn er sei nicht gut darin, Vorträge zu halten. Diese Meinung würde ich jedoch nicht teilen, denn es ist nun einmal eine andere Art, sein Projekt zu Präsentieren. Wieso die ganze Entwicklung, Skizzen und Schnitte herzeigen, wenn jeder die Schrift kennt und sie von den Personen im Publikum (welche hauptsächlich Grafiker und Typografen waren) zu einer hohen Wahrscheinlichkeit in keinem zukünftigen Projekt verwendet werden.
War es typografisch lehrreich? – Nein. War es vorausahnend? – Vielleicht. Vincent Connare weiß, wo seine Schrift steht und muss sie nicht verteidigen oder versuchen, sie am Markt zu halten. Der geplante Einsatz rechtfertigt den Charakter und für diverse fragliche Einsätze ist weder die Schift, noch er schuld.
Aber halt – es gibt ein Update der Schrift.

Man will sie noch nicht aufgeben

Der Designer Craig Rozynski entwickelte die „Comic Sans Neue“ und die „Comic Sans Neue Angular“, welche kostenlos zum download zur Verfügung steht. Craig Rozynski schreibt über die „Comic Sans Neue“:

„It’s perfect as a display face, for marking up comments, and writing passive aggressive office memos.”

Vielleicht bekommt jetzt der eine oder andere Arbeitskollege und Grafiker solche Notizzettel zugesteckt… 🙂
Falls jemand da draußen noch nicht verstanden hat, weswegen es besser ist, die „Comic Sans MS“ nicht zu verwenden, oder seine Neugier nicht zügeln kann, der kann sich hier eine kurze, nette Anleitung ansehen.

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Stephan

Meine Rolle bei Liechtenecker: langgedienter Frontend-Veteran Wenn es weder IT noch Digitalisierung gäbe, wäre mein Beruf: Förster ohne Kontakt zu Menschen! Mein Herz schlägt für: die Arterien.
2 Kommentare.
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23. Januar 2015 um 12:31

Mir hat die Comic Sans immer gut gefallen, weil sie aus dem Rahmen fiel und trotzdem gut lesbar war. Vielleicht erlebt sie ja jetzt eine kleine Renaissance unter all dem beliebten Vintage-Schriften.
Schöner Beitrag! Danke!

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    Andrea Egger
    26. Januar 2015 um 15:03

    Danke für deinen Kommentar. Generell bei jedem neuen Projekt sucht man die perfekte Schrift. Diese Suche kann oft lange andauern. Die Comic Sans ist sehr spezifisch und passt, wie ich finde, nur in einigen Fällen. Ein Beispiel wäre z. B. in der 1. Klasse Grundschule, um die Buchstaben zu lernen oder sogar für ein Kinderbuch. Sie ist nunmal eine bekannte und verpönte Schrift.

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